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Promotion und Karriere – Wie adäquat sind promovierte Akademikerinnen und Akademiker in der Schweiz beschäftigt?
PhD and Career – Do academics with a doctoral degree in Switzerland find adequate jobs?
Zeitschrift für ArbeitsmarktForschung volume 42, pages 213–233 (2009)
Zusammenfassung
Zusammenfassung Die im Zuge der Bildungsexpansion zunehmende Anzahl Hochqualifizierter wirft zwei Fragen auf. Erstens: Gelingt es den Akademikerinnen und Akademikern, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, oder sehen sie sich zunehmend mit Arbeitslosigkeit konfrontiert? Zweitens: Finden Hochqualifizierte eine ihrer Ausbildung angemessene Beschäftigung oder müssen sie mit inadäquaten Stellen vorlieb nehmen? Im Rahmen einer empirischen Analyse der Studie „Promotion und Karriere“ werden beide Thematiken erstmals für die Schweiz für die Gruppe der Höchstqualifizierten (Promovierte der Abschlussjahrgänge 1996–2002 Deutschschweizer Hochschulen) im Bildungssystem beleuchtet. Adäquanz wird auf verschiedenen Ebenen (vertikal, horizontal und subjektiv) untersucht und ermöglicht so ein umfassendes Bild der Situation der Promovierten nach Geschlecht und Fachbereich. Die Ergebnisse zeigen, dass Arbeitslosigkeit und inadäquate Beschäftigung für Promovierte in der Schweiz eher marginale Probleme darstellen. Fachbereichsspezifisch zeigen sich jedoch ausgeprägte Unterschiede je nach verwendetem Adäquanzmaß. Differenzen zwischen den Geschlechtern bestehen zu Ungunsten der Frauen, was vor allem auf den hohen Anteil der Teilzeitbeschäftigung und den erschwerten Zugang der Frauen zu Führungspositionen zurück zu führen ist.
Abstract
In the course of the educational expansion the rising number of academics entering the labour market leads to two questions. First: Are academics capable to place themselves successfully in the labour market or do they have to face higher risks of unemployment? Second: Do academics find employment which is adequate to their high educational qualifications or do they have to accept inadequate jobs? We analyse both questions using unique data of the Swiss National Science Foundation Study “PhD and Career” for academics who got a doctoral degree between 1996 and 2002. Job adequacy will be examined on three levels (vertical, horizontal and subjective) which gives a widespread view on the job situation of PhDs separated in gender and faculties. Results show, that unemployment and inadequate jobs is a rather marginal Problem. But there are differences between the faculties regarding the three levels of job adequacy. Also, we find differences in gender aspects to the disadvantage of women which we ascribe to the larger number of women working part time and their difficulties getting into leadership positions.
1 Einleitung
Die Bildungsexpansion hat dazu beigetragen, dass nicht nur die obligatorische Schulzeit stark ausgebaut wurde, sondern dass auch weiterführende Schulen und Hochschulen expandieren. Die Zahl der Universitätsabsolventen (Lizentiate/Diplome und Bachelor/Master) hat sich in der Schweiz seit 1995 von 8754 auf 17.809 im Jahr 2007 mehr als verdoppelt. Die Zahl der Doktorate ist im gleichen Zeitraum von 2601 auf 3236 um knapp 25% gestiegen (BFS 2008a).Footnote 1 Im internationalen Vergleich (Meri 2007) verzeichnet die Schweiz mit einer Doktorandenquote von 8,1% gemessen an den Hochschulstudierenden insgesamt den Spitzenplatz (der EU-Durchschnitt liegt bei 3,3%). Die Absolventenquote tertiärer Bildung insgesamt bleibt aber relativ niedrig, sodass in der Schweiz nicht von einer „Akademikerschwemme“ auf dem Arbeitsmarkt die Rede sein kann (Becker 2000).Footnote 2 Trotzdem taucht in der öffentlichen Diskussion immer wieder die Frage auf, ob die steigenden Absolventenzahlen dazu führen, dass mehr und mehr Akademikerinnen und Akademiker, vor allem in der Berufsanfangsphase, von prekären Beschäftigungsverhältnissen oder gar von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Die regelmäßig durchgeführten Absolventenstudien des schweizerischen Bundesamtes für Statistik, welche vornehmlich den Berufseinstieg von Fachhochschul- und Universitätsabsolventen fokussieren, geben Entwarnung. Auch die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) bestätigt diesen positiven Befund, über den Berufseinstieg hinaus, durch die Zahlen zur Entwicklung der Akademikerarbeitslosigkeit gemessen an der Gesamtbevölkerung. Diese sind zwar auch von konjunkturellen Schwankungen betroffen, bleiben aber seit Jahren auf konstant niedrigem Niveau. Der Anteil der Akademikerinnen und Akademiker, die im Jahr 2007 als erwerbslos bzw. arbeitssuchendFootnote 3 galten, liegt bei 2,2% und somit deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung, die von einer Erwerbslosenquote von 3,6% betroffen ist (BFS 2008b).
Unter den Befragten in der vorliegenden Promoviertenstudie geben aktuell (Herbst 2007) 3,4% an, nicht erwerbstätig zu sein. Davon ist zurzeit jedoch nur ein Fünftel arbeitssuchend, ein weiteres Drittel ist nach der Promotion gar nicht erst in den Arbeitsmarkt eingestiegen. Weitere Gründe für Nichterwerbstätigkeit sind Weiterbildung, Familienarbeit oder andere private Gründe. Es scheint also, dass der Schweizer Arbeitsmarkt in der Lage ist, den Zuwachs an promovierten wie auch unpromovierten Akademikerinnen und Akademikern zu absorbieren, ein Beschäftigungsproblem zeichnet sich nicht ab.Footnote 4 Promovierte Akademiker finden sich in unterschiedlichsten Bereichen der Wirtschaft und nicht – wie zuweilen behauptet – hauptsächlich in wissenschaftlichen Karrieren an Hochschulen. In der vorliegenden Studie sind 80% der Promovierten außerhalb des Hochschulbereiches beschäftigt.
Über die Beschäftigungsquote hinaus stellt sich jedoch die Frage, ob und inwieweit Promovierte als höchste Bildungsgruppe tatsächlich adäquat beschäftigt werden können. Dafür sollte vorher möglichst genau definiert werden, was adäquate bzw. nicht-adäquate Beschäftigung von Promovierten bedeutet. Die vorliegende Arbeit befasst sich damit, Beschäftigungsadäquanz von Promovierten zu definieren und Risikofaktoren für inadäquate Beschäftigung zu bestimmen.Footnote 5 Aus arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen werden mögliche Befunde über die Situation der Promovierten auf dem Arbeitsmarkt abgeleitet und erklärt. Weiter wird ein Konzept entwickelt, wie die verschiedenen Aspekte von Adäquanz methodisch umgesetzt und auf den Datensatz der PuK-Studie übertragen werden können. Schließlich werden Ergebnisse präsentiert, die klären sollen, ob Schweizer Promovierte eine ihrer Ausbildung angemessene Beschäftigung finden oder in welchem Ausmaß sie mit inadäquaten Beschäftigungsbedingungen leben müssen.
2 Theoretischer Rahmen
In meritokratischen Gesellschaften zeichnen sich Bildungszertifikate durch einen Doppelcharakter aus. Einerseits dienen sie potenziellen Arbeitgebenden als Signale für berufsrelevante Qualifikationen. Andererseits räumen sie ihren Inhabern das Anrecht auf Zugang zu bestimmten Positionen und damit einhergehend zur Inanspruchnahme damit verbundener Privilegien ein und sind mithin eng gekoppelt an den Berufserfolg (Credentialismus). Eine Promotion, als höchster Bildungsabschluss,Footnote 6 erfüllt im deutschsprachigen Raum verschiedene Funktionen und unterscheidet sich damit wesentlich von der Promotion in anderen Ländern. Einerseits bereitet die Promotion auf eine akademische Karriere an einer Hochschule vor und ist ein weiterer Schritt in Richtung Professur und Lehrstuhl. Andererseits hat die Promotion die Funktion, gleichsam als Eintrittskarte in das Segment höherer Leitungs- bzw. Managementpositionen in der Privatwirtschaft zu fungieren. „Während in den USA 5,6 Prozent der CEO und in Frankreich 4,1 Prozent der PDG promoviert haben, sind es in Deutschland nicht weniger als 58,8 Prozent der Verwaltungsvorstände“ (Franck 2005).Footnote 7 Dabei wird deutlich, dass der Doktortitel als Indikator für überlegenes Talent gilt und breites Humankapital ausweist, welches die Produktivität einer Person über den wissenschaftlichen Bereich hinaus erhöht (ebd.). Arbeitnehmende investieren in diese Signale und Arbeitgebende schließen aus deren Ausprägung auf die Humankapitalqualität von Bewerberinnen und Bewerbern (Opitz 2004). Dieses Signal wirkt aber auch bei freiberuflich und selbstständig Erwerbstätigen, da die Promotion als Kompetenzzeugnis fungiert und in manchen Bereichen scheinbar auch erwartet wird. Der je nach Fachbereich zum Teil sehr hohe Anteil Selbstständiger unterstreicht diese Funktion.
In der Deutschschweiz ist der Stellenwert der Promotion vergleichbar mit dem in Deutschland.Footnote 8 Sie bereitet auf viele Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vor und besitzt die entsprechende Signalwirkung. Ob mit dem PhD eine wissenschaftliche Karriere angestrebt wird, ist fächerspezifisch unterschiedlich (Groneberg 2007; Berning u. Falk 2006). Bislang ist aber wenig darüber bekannt, wie sich Karriereverläufe von Promovierten im nicht-akademischen Bereich gestalten, denn abgesehen von der Universität selbst existieren keine speziellen Laufbahnen für Promovierte. Unter den Rahmenbedingungen der Höherqualifizierung durch Bildung in der Gesellschaft stellt sich die Frage, wie die Arbeitnehmenden, die Arbeitgebenden und der Arbeitsmarkt auf das Angebot an Hoch- und Höchstqualifizierten reagieren. Müssen Promovierte auf berufliche Positionen ausweichen, die bis anhin von Personen mit niedrigeren Bildungszertifikaten besetzt wurden und kommt es somit zu einer „Bildungsinflation“ (Hadjar u. Becker 2006; Hesse 1986)?
Arbeitsmarkttheoretische Modelle beschäftigen sich mit der Thematik der Beschäftigungsadäquanz im Rahmen des Phänomens der Über- oder Unterqualifikation von Bewerberinnen und Bewerbern oder solchen, die bereits eine Position innehaben.Footnote 9 Dabei wird sowohl die Perspektive der Arbeitgebenden, die die Interessen ihrer Unternehmen vertreten, als auch die Perspektive der Arbeitnehmenden, die ihre persönlichen Kosten-Nutzen-Abwägungen treffen sowie die Lage auf dem Arbeitsmarkt einbezogen. Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf die Gruppe der Promovierten, die auch als Hoch- bzw. Höchstgebildete bezeichnet werden.
Es sind unterschiedliche Interpretationen des Zertifikats Promotion möglich. Zum einen kann der Doktortitel als höchster Bildungsabschluss im Sinne einer zusätzlichen allgemeinen Hochschulbildung verstanden werden, der den gleichen theoretischen Gesetzmäßigkeiten folgt wie andere Bildungsabschlüsse. Ein weiterer Ansatz wäre, die Promotionszeit eher in der Arbeitsphase zu verorten und damit die Promotion als spezifische wissenschaftliche Ausbildung auf dem Weg zu einer akademischen Karriere zu betrachten. Im letzteren Fall würden relativ schlechte Arbeitsmarkterträge zu erwarten sein, da die spezifischen Inhalte der Promotion kaum auf andere Arbeitsgebiete übertragbar wären und die Kapazität des universitären Arbeitsmarkts beschränkt ist. Bereits die große Zahl der Universitätsabsolventen, die trotzdem promovieren, ist ein Indiz dafür, dass die Promotion als allgemeiner Bildungsabschluss wahrgenommen wird. Die insgesamt sehr geringe Arbeitslosenquote unter Promovierten deutet ebenfalls auf eine hohe Übertragbarkeit des Abschlusses hin. Sollte der Doktortitel demnach nicht nutzbringend am Arbeitsmarkt eingesetzt werden können, kann von einer inadäquaten Beschäftigungssituation gesprochen werden. Im Folgenden werden bildungssoziologische Theorien angeführt und entsprechende Hypothesen abgeleitet.
Die Humankapitaltheorie (Becker 1964) befasst sich hauptsächlich mit der Analyse von Bildungsinvestitionen und Bildungserträgen aus der Perspektive der Arbeitnehmenden und bildet diese in der Regel über die monetäre Ausschüttung ab. Sie baut auf Annahmen der neoklassischen Theorie des Kapitalismus auf, welche von einer gleichberechtigten Konkurrenz in einem liberalen Markt ausgeht. Die involvierten Konkurrenten streben nach größtmöglicher Nutzenmaximierung bei konstanten Rahmenbedingungen des Marktes. Die Arbeitskraft drückt sich aus ökonomischer Perspektive als Produktivität aus, wobei davon ausgegangen wird, dass Individuen umso produktiver sind, je länger sie sich Bildung und Ausbildung unterzogen haben. Ebenfalls fließen Aspekte der Berufs- oder Betriebserfahrung in das Humankapital ein und lassen sich auf dem Arbeitsmarkt gewinnbringend einsetzen (z. B. Büchel 1998). Allein an der formalen Qualifikation ließe sich das Ausmaß inadäquater Beschäftigung demnach nicht abbilden. Das neoklassische Modell fußt auf dem Grundsatz, dass der Arbeitsmarkt selbstregulierend funktioniert. Arbeitnehmende finden daher grundsätzlich die passende bzw. adäquate Stelle gemäß ihren Kapitaleinsätzen, wodurch das Phänomen der inadäquaten Beschäftigung, innerhalb der Humankapitaltheorie, wenn überhaupt, nur als ein kurzfristiges betrachtet wird. Besteht ein Überangebot an qualifizierten Bewerberinnen und Bewerbern, sinken die Löhne entsprechend den Gesetzen des freien Marktes. Dies beeinflusst gleichzeitig das Verhalten betreffend den Investitionen in höhere Bildung derart, dass entsprechende Zertifikate weniger häufig nachgefragt werden, was langfristig auch das Überangebot beseitigt.
Wird die Seite der Arbeitgebenden betrachtet, muss danach gefragt werden, warum oder unter welchen Umständen Promovierte eingestellt werden, obwohl diese für die Stelle überqualifiziert sind. Wie wirkt sich ein Überangebot an Hochqualifizierten im Arbeitsmarkt auf die allgemeine Einstellungspraxis der Arbeitgebenden aus? Eine Weiterentwicklung der Signal- und Filtertheorie (Arrow 1973; Spence 1974) durch Weiss (1995) kann hier Aufschluss geben. In der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Bildungsweg und Lohn wird deutlich, dass nicht entscheidend ist, was in der (weiterführenden) Schule gelernt wird. Vom Schulabschluss ableitend wird implizit davon ausgegangen, dass höher Gebildete neben fachlichen Kompetenzen auch persönliche Fähigkeiten, wie zum Beispiel Leistungsbereitschaft, Motivation und Ausdauer ausweisen, obwohl diese nicht Gegenstand der Zertifizierung sind. Besteht auf der Nachfrageseite ein Überangebot, dann werden neben der ausgewiesenen Produktivität (Bildungszertifikate), andere (antizipierte) Eigenschaften von Arbeitnehmenden bei der Zuweisung zu den entsprechenden Stellen wichtig.
Segmentationstheorien gehen von verschiedenen Teilarbeitsmärkten innerhalb des Gesamtarbeitsmarktes aus, die spezifische Charakteristika aufweisen und zwischen denen die Mobilität stark eingeschränkt ist. Der Fokus liegt hier auf den strukturellen Merkmalen der Arbeitsplätze wie zum Beispiel Qualifikationsanforderungen, Lohnhöhe, Betriebsgröße und Arbeitsplatzsicherheit. Doeringer u. Piore (1971) unterscheiden primäre bzw. interne und sekundäre bzw. externe oder unstrukturierte Arbeitsmärkte, wobei im primären Arbeitsmarkt Unternehmen zu finden sind, die mono- oder oligopolistische Stellungen einnehmen und eher kapitalintensiv produzieren. Diese internen Arbeitsmärkte sind durch administrative hierarchische Regelungen und Strukturen gekennzeichnet, wie sie in großen privatwirtschaftlichen Organisationen und im öffentlichen Dienst vorzufinden sind (Becker 1990). Die Arbeitsplätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie über Karriereleitern erreicht werden, hohe Qualifikationsanforderungen stellen, die entsprechend vergütet werden, und dass zudem das Risiko des Arbeitsplatzverlustes relativ gering ist. Im sekundären bzw. externen Arbeitsmarkt hingegen befinden sich kleinere Unternehmen, die großer Konkurrenz ausgesetzt sind und eher arbeitsintensiv produzieren. Die Qualifikationsanforderungen der Arbeitsplätze sind tendenziell geringer, die Löhne niedriger und die Arbeitsplatzsicherheit kleiner. Diese Arbeitsmärkte funktionieren nicht über innerbetriebliche Mobilitätsstrukturen, sondern nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage, wobei die Arbeitnehmenden kaum firmenspezifisch spezialisiert sind und somit leichter austauschbar werden. Für den deutschsprachigen Raum wurde darüber hinaus gezeigt, dass aufgrund der dualen Struktur der Berufsausbildung auch innerhalb kleinerer Betriebe fachspezifische Arbeitsmärkte existieren, in denen qualifizierte Beschäftigte tätig sind (Lutz u. Sengenberger 1974; Blossfeld u. Mayer 1988). Den allgemeinen Segmentationstheorien zufolge sollten Promovierte hauptsächlich in den primären, internen Arbeitsmärkten in Großbetrieben und an Arbeitsplätzen, die einen hohen Grad an beruflicher Spezialisierung aufweisen, platziert sein.
Über die genannten Segmente auf dem Arbeitsmarkt hinaus kann man zudem fachliche Aspekte einbeziehen und dadurch abgeschottete Arbeitsmärkte bestimmen, zwischen denen wenig bis keine Durchlässigkeit besteht. Bedingt durch die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nach bestimmten fachlichen Qualifikationen entstehen Beschäftigungsdynamiken, die dazu führen können, dass hochqualifizierte Personen keine oder keine adäquate Beschäftigung finden, weil sie über andere Qualifikationen verfügen, als die momentan nachgefragten. Inadäquate Beschäftigung wäre demnach abhängig vom Studienfach. So zeigen Büchel u. Matiaske (1996), dass die Gefahr für einen unterwertigen Berufseintritt höher für Absolventinnen und Absolventen „weicher“ Studienfächer ist, welche auch häufiger von Frauen gewählt werden. In den Geistes- und Sozialwissenschaften, deren fachspezifische Inhalte weniger nahe an den beruflichen Anforderungen liegen, als es beispielsweise in den Ingenieurswissenschaften der Fall ist, sollte sich eher inadäquate Beschäftigung finden lassen. Bei einer angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt sollten über die Berufseintrittsphase hinaus diejenigen Promovierten gewinnen, die über überfachliche Qualifikationen verfügen und dementsprechend flexibler zwischen den Teilarbeitsmärkten wechseln können.
Das Job-Competition-Model von Thurow (1979) bezieht die Arbeitsmarktsituation mit ein und konzentriert sich dabei nicht auf Gehälter, sondern auf Arbeitsplätze, an die die Löhne gebunden sind. Arbeitplätze gelten demnach als knappes Gut, um das sich Personen mit unterschiedlich großen Bildungsinvestitionen bewerben. Arbeitgebende wägen bei der Besetzung von Stellen ab, wie viel Investition ihrerseits (z. B. Einarbeitungszeit und Weiterbildung) noch zusätzlich anfallen. Somit hat dieses Modell mit der Signaltheorie gemeinsam, dass Annahmen über die Wahrscheinlichkeit der Leistungsfähigkeit einer Person entscheidend sind. Der Unterschied besteht in der Berücksichtigung der Nachfrage nach Arbeit. Ist die Nachfrage größer als das Angebot, werden Arbeitgebende „die Besten“, also die Höchstgebildeten, einstellen, obwohl die Passung nicht optimal ist (inadäquate Beschäftigung bzw. Überqualifizierung). Entscheidend ist die Rangfolge (Labor-Queue) der Arbeitskräfte nach Leistungsausweisen, wobei die unteren Ränge erst dann einen Arbeitsplatz erhalten, wenn die Arbeitnehmenden in den oberen Rängen bereits rekrutiert wurden. Für Promovierte müsste demnach die Lage auf dem Arbeitsmarkt für das Arbeitslosigkeitsrisiko relativ unerheblich sein, da sie in der Arbeitskräftewarteschlange (Labour-Queue) ohnehin in den vorderen Rangplätzen stehen. Sollte ein Überangebot an Hoch- und Höchstqualifizierten bestehen, zeigt sich dies demnach nicht in Arbeitslosigkeit, sondern darin, dass die Promovierten auf die nächstniedrigeren und demnach tendenziell inadäquaten Positionen ausweichen.
Analog zu vorliegenden Befunden der Arbeitsmarkt- und Mobilitätsforschung über die Schlechterstellung von Frauen bei den Berufs- und Einkommenschancen ist davon auszugehen, dass promovierte Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen ein größeres Maß an Beschäftigungsinadäquanz aufweisen (Engelage u. Hadjar 2008). Geschlechtsspezifische Unterschiede in den Berufskarrieren werden häufig mit der Theorie der statistischen Diskriminierung (Anker 1997), welche das unterschiedliche Anstellungsverhalten der Arbeitgebenden zu erklären versucht, dargestellt. Aufgrund der Annahme, dass Frauen aufgrund familiärer Verpflichtungen generell weniger kontinuierlich und längerfristig nicht vollzeitig erwerbstätig sind, erklärt sich zum Beispiel, warum adäquate und anspruchsvolle Stellen eher mit männlichen Konkurrenten besetzt werden. Andererseits muss aber auch davon ausgegangen werden, dass Frauen aufgrund von Selbstselektion bzw. in Antizipation ihrer familiären Tätigkeiten „freiwillig“ auf eine weniger anspruchsvolle oder eventuell inadäquate Beschäftigung ausweichen. Die Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie betrifft nach wie vor Frauen in einem größeren Ausmaß als Männer, auch unter den Akademikerinnen und Akademikern.
Aus der Perspektive der Arbeitnehmenden muss konstatiert werden, dass diese durchaus nutzenmaximierend agieren können, ohne dabei ihre Prioritäten auf monetäre oder positionshierarchische Aspekte zu setzen. So ist im Zuge des gesellschaftlichen Wandels für viele auch der Stellenwert von Freizeit und Selbstentfaltung gestiegen (Opaschowski 1982; Klages 1984). Eine vordergründig inadäquate Beschäftigung kann gewinnbringend sein, wenn dadurch die Arbeitsbelastung sinkt oder die Arbeitszeiten reduziert werden. Ebenso sind regionale Präferenzen und kürzere Arbeitswege für manche wichtiger als finanzielle, positionshierarchische und fachliche Charakteristika des Beschäftigungsverhältnisses. Wenn weiter davon ausgegangen wird, dass die Verantwortung und der Druck mit zunehmenden Jobanforderungen steigen, ist es nachvollziehbar, dass einige Personen nicht bereit sind, sich diesen Unannehmlichkeiten zu stellen. Promovierte sollten dabei aufgrund des Wertes Ihres Bildungszertifikats auch mit reduziertem Arbeitspensum in der Lage sein, ein vergleichsweise hohes Einkommen zu beziehen.
Gemäß den hier vorgestellten Theorien sollten Promovierte aufgrund ihres hohen Humankapitals in vordersten Positionen von Bewerberschlangen um Arbeitsplätze stehen und daher anspruchsvolle und attraktive Stellen besetzen. Arbeitslosigkeit sollte daher als Indikator für die Arbeitsmarktsituation von Promovierten untauglich sein (Hypothese 1a). Vielmehr ist zu erwarten, dass bei einem Überangebot an Promovierten diese auf weniger anspruchsvolle, mithin inadäquate, Positionen ausweichen und die nächst niedriger Gebildeten verdrängen (Hypothese 1b). Einflussfaktoren für inadäquate bzw. adäquate Beschäftigung sollten Indikatoren der Arbeitsmarktsegmentation darstellen (z. B. Unternehmensgröße und öffentlicher Dienst). Gemäß der Segmentationstheorie können positive Effekte für die Beschäftigung in internen Arbeitsmärkten im Vergleich zu externen Arbeitsmärkten erwartet werden (Hypothese 2). Aufgrund der vorgestellten sektorentheoretischen Ansätze ist zudem von fachspezifischen Unterschieden auszugehen (Hypothese 3). Darüber hinaus sollten Indikatoren hohen Humankapitals (z. B. Berufserfahrung) einen positiven Effekt aufweisen (Hypothese 4a), während Erwerbsunterbrechungen eine geringe Karriereorientierung signalisieren können und daher negative Effekte auf die Beschäftigungsadäquanz erwarten lassen würden (Hypothese 4b). Gleiches gilt für die Beschäftigung mit reduziertem Stundenpensum (Hypothese 4c). Schließlich sollten Frauen aufgrund der vorgestellten Theorien am Arbeitsmarkt insgesamt benachteiligt sein und daher auch geringere Adäquanzwerte berichten (Hypothese 5).
3 Definition von Beschäftigungsadäquanz und aktueller Forschungsstand
Die Frage, ob eine Erwerbstätigkeit der Ausbildung entsprechend adäquat ist, kann auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden und muss sowohl definitorisch als auch methodisch möglichst eindeutig aufgeschlüsselt werden und sowohl objektiv messbare Kriterien als auch subjektive Beurteilungen enthalten. Im Folgenden wird zwischen drei Dimensionen von Beschäftigungsadäquanz bzw. -inadäquanz unterschieden. Die erste betrifft die spezifischen Charakteristika einer Beschäftigung, eine weitere Dimension behandelt die Übereinstimmung zwischen Ausbildung und Arbeitsplatzanforderung. Drittens beurteilen die Promovierten selbst ihre berufliche Situation. Die Unterscheidung zwischen vertikaler, horizontaler und subjektiver Adäquanz bietet sich also im weiteren Untersuchungsverlauf an.
Vertikale Adäquanz beschreibt die Angemessenheit der Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die abgeschlossene Ausbildung, indem Charakteristiken der Beschäftigung beurteilt werden. Üblichstes Kriterium ist hierfür die Übereinstimmung von formaler Qualifikation und Jobanforderungsniveau. Die vertikale Adäquanz kann aber auch verschiedene andere Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses beinhalten, wie z. B. das Einkommen oder die berufliche Stellung. Dabei wird von Folgendem ausgegangen: Je attraktiver und ertragreicher eine Beschäftigung, desto adäquater ist sie für Promovierte. Da Promovierte besonders viel Zeit in ihre Ausbildung investieren, sollten sie mit den an objektiv gemessenen Kriterien „besten“ Beschäftigungsbedingungen belohnt werden bzw. deutlich überdurchschnittliche Chancen aufweisen, eine attraktive Stelle zu finden.
Horizontale Adäquanz fokussiert die fachliche und inhaltliche Übereinstimmung zwischen Studium und Beruf, wobei einerseits die Übereinstimmung des Studienfachs mit dem Wirtschaftsbereich angesprochen werden kann, andererseits aber auch das Ausmaß eingebrachter Fachkompetenzen in die Tätigkeit zu berücksichtigen ist. Die Vermittlung von Fachwissen und -kompetenzen gehört seit jeher zum „Kerngeschäft“ des universitären Studiums. Von einer Passung kann gesprochen werden, wenn erlerntes wissenschaftliches Wissen und methodische Kompetenzen in einer späteren Berufstätigkeit auch gebraucht und angewendet werden und eine bedeutende Rolle spielen. Nebst den fachlichen oder wissenschaftlichen Aspekten einer Beschäftigung werden zunehmend überfachliche Kompetenzen, z. B. Teamwork und Präsentationstechniken, in Studium und Beruf gefordert.
Um der Mehrdimensionalität von Beschäftigungsadäquanz Rechnung zu tragen, soll in der vorliegenden Untersuchung ein weiteres Adäquanzmaß berücksichtigt werden: die subjektive Adäquanz. Darunter wird, ähnlich dem Konzept der Berufszufriedenheit,Footnote 10 das individuell eingeschätzte Maß der Angemessenheit zwischen Ausbildung bzw. Promotion und Erwerbstätigkeit im Hinblick auf ausgesuchte Kriterien der Beschäftigung und der Erwartungen an Promotion und Beruf verstanden (vgl. Engelage u. Hadjar 2008). Bei diesem Maß der Beschäftigungsadäquanz soll die individuelle Beurteilung betont werden, denn was unter „objektiven“ Kriterien von den Forschenden als adäquat oder inadäquat eingeordnet wird, kann für das Individuum, je nach Präferenzen, anders beurteilt werden.Footnote 11
In der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung werden unterschiedliche Operationalisierungen zur Messung von Beschäftigungsinadäquanz, also Über- oder Unterqualifikation, herangezogen. Die meisten Studien zum Thema konzentrieren sich aber auf Aspekte der vertikalen Adäquanz. Das gängigste Kriterium ist die Zugangsvoraussetzung bzw. das Anforderungsniveau für die Erwerbstätigkeit, indem nach dem vorausgesetzten Bildungsabschluss für die jeweilige Erwerbstätigkeit gefragt wird (vgl. Büchel 1998; Plicht et al. 1994). Als weiteres Kriterium wird die berufliche Stellung herangezogen, was aber den Nachteil hat, als Indikator stark karriere- und somit altersabhängig zu sein. Ein weiterer Ansatz ist die Bildung von Berufstypen anhand der Berufsbezeichnung. Plicht et al. (1994) konstruieren beispielsweise drei Berufstypen (akademische, nicht-akademische und Mischberufe), die auch als Proxy für das Jobanforderungsniveau verstanden werden können. Kombiniert mit der beruflichen Stellung leiten sie daraus Ober- und Untergrenzen inadäquater Beschäftigung als Schätzer für deren absolutes Ausmaß ab. Für Hochschulabsolventen in Deutschland Ende der 1980er-Jahre wird anhand von Mikrozensusdaten ein Anteil von 8–17% inadäquater Beschäftigung berichtet. Gleichzeitig wird jedoch betont, dass sich inadäquate Beschäftigung für Hochschulabsolventen kaum trennscharf darstellen lässt, was unter anderem auf die wenig eindeutige Klassifikation der Berufe für die höchsten Bildungsschichten zurückgeführt wird (ebd.). Das Problem der Trennschärfe wird auch in einer Analyse „unterwertiger“ Beschäftigung von Nicht-Akademikern in Deutschland von Pollmann-Schult (2006) angesprochen, der ebenfalls Berufe zu im Voraus festgelegten Anforderungsniveaus klassifiziert. Er betont, dass „aufgrund der erheblich abweichenden Angaben zum Ausmaß von unterwertiger Beschäftigung […] das Hauptaugenmerk eher auf die Risikofaktoren von ausbildungsinadäquater Erwerbstätigkeit“ gelegt werden sollte, als auf die Interpretation des absoluten Niveaus (Pollmann-Schult 2006, S. 16). Aktuellere Untersuchungen verwenden häufig eine Kombination von vertikalen und horizontalen Adäquanzmerkmalen. So konstruieren Fehse u. Kerst (2007) auf der Grundlage der deutschen HIS-Absolventenbefragung einen kombinierten Indikator aus vertikaler Adäquanz (Jobanforderungsniveau) und horizontaler Adäquanz (fachliche Angemessenheit).Footnote 12 Sie berichten über im Zeitverlauf relativ stabile 10% Absolventinnen und Absolventen, die nach beiden Indikatoren als inadäquat beschäftigt eingeordnet werden können. Als Risikofaktoren inadäquater Beschäftigung gelten das weibliche Geschlecht, Kinder und eine vorgängige Berufsausbildung, während ein akademisches Elternhaus, Praxiserfahrung und Charakteristika des Studiums (Note, Dauer, Auslandserfahrung) positive Effekte auf die berichtete Adäquanz haben.
Für die Schweiz veröffentlicht das Bundesamt für Statistik im Rahmen der Schweizerischen Absolventenstudie regelmäßig Berichte zum Übergang vom Studium in den Beruf, welche auch Zahlen zum Anteil adäquater und nichtadäquater Beschäftigung von Hochschulabsolventen enthalten.Footnote 13 Als inadäquat beschäftigt werden Absolventinnen und Absolventen bezeichnet, welche ein Jahr nach Studienabschluss eine Beschäftigung ausüben, für die kein Hochschulstudium als Zugangsvoraussetzung verlangt wurde (Schmidlin 2002, 2003; Schönfisch u. Schmidlin 2005). Signifikante Effekte auf diesen Indikator vertikaler Adäquanz finden sich bei den Studienfächern, der Betriebsgröße und dem Wirtschaftsbereich, also vor allem bei Indikatoren segmentierter Arbeitsmärkte. Hochschulabsolventen der Geistes- und Sozialwissenschaften haben demnach das höchste Überqualifikationsrisiko, während professionalisierte und strukturierte Fachrichtungen, wie Medizin und Recht, am ehesten in einer adäquaten Beschäftigung münden. Signifikante Geschlechterunterschiede konnten auf Grundlage der Absolventendaten 1991 bis 2002 nicht festgestellt werden. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die überwiegenden Mehrheit der Akademiker und Akademikerinnen keine Probleme hat, eine adäquate Beschäftigung zu finden und auszuüben (ebd.).
Pätzmann (2005) untersucht, ebenfalls mit den Daten des Bundesamtes für Statistik, die Beschäftigungsadäquanz von Universitäts- und Fachhochschulabsolventen der Fächer Architektur und Betriebswirtschaft unter Verwendung vertikaler und subjektiver Indikatoren.Footnote 14 Mehr als 80% verfügen demnach über eine Beschäftigung, für die ein Hochschulabschluss verlangt wurde. Fachspezifische Unterschiede finden sich aber in der subjektiven Beurteilung der Beschäftigungssituation. Nur 28% der Absolventen und Absolventinnen der Architektur gegenüber 67% der Betriebswirtschaft empfinden ihre Erwerbssituation als adäquat. Darüber hinaus werden bei der Arbeit benötigte überfachliche Fähigkeiten und deren Erwerb im Studium verglichen und ein Ungleichgewicht festgestellt. Vor allem Kompetenzen wie Führungsqualitäten und Verhandlungsgeschick werden an der Hochschule weniger erlernt und vertieft, als sie in der späteren Erwerbstätigkeit zum Einsatz kommen.
Die Publikationen der meisten Absolventenstudien aus Deutschland oder aus der Schweiz liefern zwar ausführliche Berichte zur Arbeitsmarktsituation von Akademikerinnen und Akademikern, schließen aber in der Regel Promovierte von den Analysen aus. Eine groß angelegte Promoviertenstudie im deutschsprachigen Raum wurde von Enders u. Bornmann (2001) durchgeführt, die in Deutschland Daten von mehr als 4000 Promovierten und universitären Erstabsolventen ausgewählter FachbereicheFootnote 15 nach Karriereverläufen ausgewertet haben. Deren Fazit für die berufliche Situation von Promovierten ist, dass „von einer Krise des wissenschaftlichen Nachwuchses im Hinblick auf seine weitere Berufs- und Karrierechancen keine Rede sein kann“ (Enders u. Bornmann 2001, S. 173). Je nach Fach konstatieren aber 30–50%, dass die Promotion für den weiteren Berufsweg nicht unbedingt erforderlich war und ihre berufliche Tätigkeit vom Abschlussniveau her eher einem Universitätsstudium entspreche. Dies bedeute aber nicht, dass dieser Umstand als inakzeptabel empfunden werde. In der subjektiven Einschätzung der Angemessenheit ihrer Beschäftigung zeigen Promovierte große Zufriedenheit und schneiden damit besser ab, als die Absolventinnen und Absolventen universitärer Erstabschlüsse. Bezüglich der Risikofaktoren finden sich geschlechtsspezifische Nachteile für promovierte Frauen nur bei den Aufstiegschancen und der Entlohnung. Keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen bestehen im Hinblick auf andere Kriterien des objektiven Berufserfolgs oder hinsichtlich der Karrierezufriedenheit. Effekte der Familiengründung sind für die Beschäftigungsadäquanz der Männer eher „beflügelnd“ und für Frauen eher behindernd (ebd.).
Erste Ergebnisse für die Schweiz zeigen im Zeitraum 1983–2001 ein Jahr nach Erwerb des jeweiligen Abschlusses einen komparativen Lohnvorteil von Promovierten gegenüber Nicht-Promovierten (Engelage u. Hadjar 2008).Footnote 16 Darüber hinaus existiert eine Zahl kleinerer Studien, die sich entweder auf spezifische Fächer oder auf Teilaspekte konzentrieren. Leemann et al. (2006) analysieren wissenschaftliche Hochschulkarrieren unter dem Aspekt der geschlechtsspezifischen Diskriminierung, deren Ergebnisse jedoch noch nicht publiziert sind. Eher psychologisch ausgerichtet ist die Studie von Berweger u. Keller (2005), die geschlechterspezifische Differenzen im Zusammenhang von Karriereorientierung und akademischer Laufbahn aufzeigen. Wirth et al. (2008) analysieren Berufswege von Promovierten der Medienwissenschaft.
Zusammenfassend lässt sich aufgrund der genannten Publikationen festhalten, dass einzelne Aspekte adäquater Beschäftigung gerade für niedrigere Bildungsniveaus recht gut untersucht sind, während Analysen zu Höher- und Höchstgebildeten kaum existieren. Studien, die aus mehreren, unterschiedlich operationalisierten Maßen einen umfassenden Ansatz bei der Messung von Beschäftigungsadäquanz verfolgen, sind bislang selten. Die vorliegende Arbeit soll hier weiterführen.
4 Daten und Operationalisierung
Für die empirische Analysen wird auf Längsschnittdaten der Studie „Promotion und Karriere“ (PuK) zurückgegriffen. Bei dieser Studie handelt es sich um eine, vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte, schriftliche postalische Befragung, welche im Herbst 2007 durchgeführt wurde und die die bislang einzige detaillierte Promoviertenuntersuchung der Schweiz im Stil der Lebensverlaufsforschung ist. Aus den vollständigen Adressdatenbeständen der Promovierten der Abschlussjahrgänge 1996–2002 von den Deutschschweizer Universitäten Bern, Basel, St. Gallen und Zürich sowie der ETH Zürich wurde eine repräsentative Zufallsstichprobe gezogen.Footnote 17 Dabei wurde, mit zweimaligem Nachfassen gemäß der „Taylored Design Method“ von Dillman (1978, 2000), eine Nettorücklaufquote von 49,9% erreicht, was einem Total von 1329 auswertbaren Fällen entspricht.Footnote 18 Das Untersuchungsdesign ermöglicht somit einen eingehenden und differenzierten Blick auf die Situation promovierter Akademikerinnen und Akademiker, welche ihre Promotion zum Zeitpunkt der Erhebung bereits seit fünf bis zehn Jahren auf dem Arbeitsmarkt einsetzen können. In einem ereignisorientierten Design wurden retrospektiv vollständige Bildungs- und Berufskarrieren erhoben. Daten zur Matur, dem universitären (Erst-)Studium, der Promotionsphase, dem Berufseintritt, dem Karriereverlauf und der Berufszufriedenheit sowie weitere soziodemografische Angaben wurden chronologisch erfasst und aufwändig bereinigt. Die Verteilung auf die verschiedenen Fächer findet sich in Tabelle 1.
Die Operationalisierung der vertikalen, horizontalen und subjektiven Adäquanz bezieht sich auf die jeweils aktuell ausgeübte bzw. zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit und erfolgt gemäß Tabelle 2.
5 Vertikale, horizontale und subjektive Adäquanz der Beschäftigung
Bevor im Folgenden die beobachteten Arbeitsmarkterträge von Promovierten hinsichtlich ihrer Adäquanz diskutiert werden, sollen zunächst Adäquanzmaße deskriptiv dargestellt werden. In Tabelle 3 wird das aktuelle Median-Bruttogehalt der Promovierten im Jahr 2007 getrennt nach Fachbereich und Geschlecht aufgezeigt. Dabei lassen sich zwei Gruppen identifizieren. Promovierte aus den Fachbereichen Wirtschaft und Recht verdienen deutlich mehr als Promovierte aus anderen Bereichen. Augenfällig sind die über alle Fächer und teilweise erheblichen geschlechtspezifischen Gehaltsunterschiede zuungunsten der Frauen. Die durchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten variieren dabei zwischen den Fächern wesentlich stärker bei Männern als bei Frauen. Mit den Promotionen aus den Fachbereichen, mit denen auf dem Arbeitsmarkt das meiste Geld zu verdienen ist, gelingt es den Frauen offenbar nicht, im gleichen Maße finanziell zu profitieren.Footnote 19
Als häufigstes Maß vertikaler Adäquanz betrachten wir weiter die Zugangsvoraussetzungen zur aktuellen Tätigkeit (Tabelle 4). Ein Drittel der Befragten (35,8%) berichtet, dass die Promotion Einstellungsvoraussetzung für die aktuelle berufliche Tätigkeit ist. Die Mehrzahl der Promovierten ist jedoch in einer Beschäftigung tätig, für die eine Promotion nicht zwingend gewesen wäre. 56,9% der Befragten geben an, dass für ihre aktuelle Erwerbstätigkeit ein Studium als Einstiegsvoraussetzung ausgereicht hätte. 7,3% berichten darüber hinaus, dass ihre aktuelle Tätigkeit gar kein Hochschulstudium voraussetzt. Dies korrespondiert mit dem bereits konstatierten Fehlen eines Promoviertenarbeitsmarktes außerhalb von Hochschulkarrieren.
Interessanterweise zeigt sich, dass Frauen durchweg häufiger Tätigkeiten ausüben, in denen eine Promotion vorausgesetzt wird. Dies ist wahrscheinlich auf den größeren Anteil Frauen zurückzuführen, welche nach der Promotion eine Erwerbstätigkeit an den Hochschulen ausüben. Darüber hinaus zeigen sich deutliche fachspezifische Unterschiede. Im Bereich der Exakten und Naturwissenschaften gibt es offensichtlich klare Arbeitsmarktfelder für Promovierte außerhalb der Hochschulen, in denen das erworbene Humankapital direkt umgesetzt werden kann. Obwohl die absoluten Promoviertenzahlen deutlich größer sind als in allen anderen Fächern, ist der Anteil derer, die berichten, dass eine Promotion für die aktuelle Tätigkeit vorausgesetzt wurde, am höchsten. Juristen und Wirtschaftswissenschaftler hingegen berichten zu mehr als zwei Dritteln, dass keine Promotion notwendig ist. Offenbar kommt es in diesen Fachbereichen nicht auf die Umsetzung des in der Promotion erworbenen Humankapitals am Arbeitsmarkt an. Wenn man die komparativen Gehaltsvorteile in diesen beiden Fächern berücksichtigt, so scheint es vielmehr, dass die Promotion hier als Karrieresignal im Sinne der Signaltheorie wirkt.
Obwohl Frauen häufiger in Beschäftigungsverhältnissen sind, für die eine Promotion vorausgesetzt wurde, besetzen sie nicht die höchsten beruflichen Stellungen (Tabelle 5). Der Zugang zu Führungspositionen ist für Frauen wesentlich schwieriger als für Männer. Während der Anteil der Personen mit Leitungsfunktion bei den Männern nach Promotionsfach recht unterschiedlich ist, zeigt sich bei Frauen eine kleinere Varianz. Zwischen 38 und 50% der berufstätigen promovierten Frauen arbeiten in einer Führungsposition, während dies zwischen 46 und 82% der Männer tun. Die Promovierten der Rechtswissenschaften nehmen eine Sonderstellung ein. Zwar sind sie im Fächervergleich am wenigsten häufig in Leitungsfunktionen angestellt, der hohe Anteil Selbstständiger deutet jedoch darauf hin, dass ein Großteil davon ebenfalls leitend tätig ist. Bei den Wirtschaftswissenschaftlern bestätigt sich das zuvor vermutete Bild, dass die Promotion als eindeutiges Signal für Führungsaufgaben wirkt. Nur 8% der männlichen promovierten Wirtschaftswissenschaftler arbeitet in einem Angestelltenverhältnis ohne leitende Tätigkeit.
Bei der horizontalen Adäquanz, der Übereinstimmung zwischen Promotionsinhalten und Jobanforderungen, wird zwischen Hard Skills und Soft Skills unterschieden. Die Hard Skills beziehen sich auf das spezifische Fachwissen und die im Fach üblichen wissenschaftlichen Methoden bzw. Kompetenzen. Bei den Soft Skills wird das Ausmaß, in dem Kompetenzen, wie zum Beispiel Teamarbeit und Organisation in der Promotionszeit, erlernt und vertieft wurden, mit dem Ausmaß, in dem solche Kompetenzen am Arbeitsplatz verlangt werden, verglichen. Bei der Frage, in welchem Ausmaß Hard Skills bei der Ausübung der aktuellen Tätigkeit gefordert werden, ist der Anteil Promovierter, welche hohe Werte angeben, beachtlich.Footnote 20 Evident ist außerdem, dass das Fachwissen bei der Ausübung der Erwerbstätigkeit die weitaus größere Rolle spielt. Nur 7% der Promovierten, über alle Fachbereiche hinweg, geben an, dass im Rahmen ihrer gegenwärtigen beruflichen Tätigkeit das während der Promotion angeeignete spezialisierte Fachwissen wenig bis gar nicht gefordert wird. Wissenschaftliches Arbeiten bzw. Methodenkompetenz wird von 25% der Befragten weniger stark benötigt. Besonders deutlich ist dies in den Wirtschaftswissenschaften, wo mehr als ein Drittel angibt, diese Kompetenz kaum zu benötigen.
Die Analyse der Soft Skills zeigt in allen Bereichen große Diskrepanzen. Besonders groß sind die Unterschiede zwischen Ausbildungsinhalten und Jobanforderungen bei der Teamarbeit und der Mitarbeiterführung. Jeweils mehr als drei Viertel der Promovierten geben hier Defizite an. Vergleichsweise klein ist mit 46% der Anteil derer, die angeben, das Präsentieren von Arbeitsergebnissen werde in ihrer Tätigkeit weitaus mehr gefordert, als an den Universitäten eingeübt. Trotzdem ist dies ein überraschender Befund, da Präsentationen im universitären Umfeld des Studiums und der Promotion in den allermeisten Fächern zum Tagesgeschäft gehören. Bei den Soft Skills lassen sich aber auch deutliche fachspezifische Unterschiede feststellen. Promovierte der Exakten und Naturwissenschaften sowie der Technischen und Ingenieurwissenschaften berichten eine deutlich bessere Passung zwischen Promotionsinhalten und beruflichen Anforderungen als die anderen Fachbereiche. Bei der Teamarbeit zeigen sich die erwarteten Effekte der Fachkulturen. So ist es zum Beispiel in den Naturwissenschaften durchaus üblich, gemeinsam in einem Forschungsprojekt zu arbeiten und zu promovieren. Trotzdem berichten etwa drei Viertel dieser Promovierten, dass Teamarbeit in der aktuellen Tätigkeit mehr gefordert wird als in der Ausbildung erlernt und vertieft. In den anderen Fachbereichen, in denen üblicherweise Einzelleistungen für die Promotion erbracht werden müssen, steigt die Diskrepanz bei der Teamarbeit auf bis zu 90% an (zu den unterschiedlichen Promotionskulturen vgl. Enders u. Bornmann 2001; zu den Fach- und Arbeitsmarktkulturen Becher u. Trouler 1989).
Die Juristinnen und Juristen zeigen die größten Abweichungen zwischen Ausbildungsinhalten und Jobanforderungen. Besonders groß ist die Diskrepanz beim Präsentieren, den Fremdsprachenkenntnissen und der Mitarbeiterführung. Dass Kompetenzen der Mitarbeiterführung an den Universitäten im Rahmen einer Promotion nicht erlernt werden, erstaunt eher weniger, sind sie doch in der Regel nicht Teil einer wissenschaftlichen Ausbildung. Ein Bedarf wäre aber scheinbar vorhanden, vor allem in den Wirtschaftswissenschaften. Die Geistes- und Sozialwissenschaften bewegen sich bei den Diskrepanzen der Soft Skills im Vergleich zu den anderen Fachbereichen im Mittelfeld, was auf ein heterogeneres Arbeitsfeld schließen lässt (Tabelle 6).
Geschlechtsspezifische Unterschiede konnten bei den Anforderungen an die Hard Skills und die Soft Skills nicht festgestellt werden. Promovierte Männer wie Frauen benötigen in gleichem Maße fachliches Wissen, Methodenkompetenz und überfachliche Qualifikationen zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten.
Bei der Frage nach der subjektiven Adäquanz geht es um die Einschätzung der Promovierten, inwiefern die derzeitige Tätigkeit ihrer Ausbildung und ihren Erwartungen entspricht. Über alle Items hinweg zeigt sich ein positives Bild. Besonders große Zufriedenheit zeigen die Befragten bei der Möglichkeit, in ihrer Erwerbstätigkeit Kenntnisse und Fähigkeiten einzubringen sowie bei den Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten. Vergleichsweise weniger zufrieden, aber immer noch deutlich positiv, beurteilen die Promovierten ihren Lohn. Die Gesamteinschätzung der Erwartungen an die Promotion im Hinblick auf die berufliche Karriere fällt insgesamt auch zustimmend aus (vgl. Abb. 1). Es muss aber konstatiert werden, dass über alle Items hinweg die Frauen eine geringere Zufriedenheit bzw. Adäquanz berichten als die Männer. Die Nachteile, die sich in der vertikalen Adäquanz (Lohn und berufliche Stellung) gezeigt haben, sind auch im Bewusstsein der Frauen präsent und führen zu einer negativeren Bewertung ihrer aktuellen Erwerbssituation.
Nach der deskriptiven Analyse der verschiedenen Adäquanzmaße soll im Weiteren anhand der vertikalen, horizontalen und subjektiven Adäquanz eine Grenze zwischen adäquaten und inadäquaten Arbeitsverhältnissen gezogen werden. Für die vertikale Adäquanz, welche Merkmale der aktuellen Beschäftigungssituation beschreibt, wurden die Variablen der beruflichen Stellung und der Zugangsvoraussetzungen zur Erwerbstätigkeit kreuztabelliert. Als inadäquat beschäftigt gelten jene Promovierte, welche weder eine Führungsposition einnehmen (Angestellte ohne Leitungsfunktion), noch eine Promotion als Voraussetzung (universitäres Studium hätte genügt bzw. kein Studium erforderlich) benötigen.Footnote 21 Insgesamt sind demnach ein Fünftel der Promovierten vertikal inadäquat beschäftigt (Tabelle 7).Footnote 22 Grundlage der Überlegungen war, dass die Arbeitgebenden diesen höchsten Bildungsabschluss auch explizit verlangen, weil sie damit eine besonders herausragende fachliche Qualifikation verbinden oder weil sie sich der besonderen Signalwirkung eines Doktortitels bewusst sind. Andernfalls würde die Promotion als Zusatzqualifikation in Kauf genommen werden, ohne entsprechend gewürdigt zu werden. Der Bestimmung der horizontalen Adäquanz bzw. Inadäquanz der Erwerbstätigkeit liegt die Überlegung zugrunde, dass die in der Promotion erlernten wissenschaftlichen Kompetenzen und das fachliche Wissen in der Ausübung der beruflichen Tätigkeit zum Einsatz kommen müssen (andernfalls wären das Wissen und die Kompetenzen überflüssig, da das Humankapital nicht nutzenoptimierend eingesetzt würde). Beide Variablen mit ihren je sieben Ausprägungen (von „wird überhaupt nicht“ bis „wird sehr stark gefordert“) wurden auch hier kreuztabelliert. Als inadäquat beschäftigt gelten jene Promovierte, die bei beiden Variablen den Wert drei oder weniger, also ein Anforderungsniveau unterhalb des Skalenmittelpunkts, angegeben haben. Das betrifft im Sample insgesamt 3,9% bzw. 51 Promovierte. Bei der persönlichen Einschätzung der aktuellen beruflichen Situation und der Karriere der Promovierten werden die vier Indikatoren subjektiver Adäquanz verwendet, welche die unterschiedlichen Aspekte der gegenwärtigen Tätigkeit und der Beurteilung der Karriereerwartungen abbilden (Tabelle 2). Es gelten jene 6,1% oder 79 Befragte als inadäquat beschäftigt, welche bei mehr als zwei der vier Items den Wert drei oder weniger, also unterhalb des Skalenmittelpunkts, angegeben haben.
Es zeigt sich, dass inadäquate Beschäftigung unter promovierten Akademikerinnen und Akademikern in der Schweiz ein marginales Problem darstellt. Bei der horizontalen Adäquanz finden sich die geringsten Inadäquanzanteile. Das fachliche Wissen und die methodischen Kompetenzen, die während der Promotionszeit erlernt bzw. vertieft wurden, werden auch in der beruflichen Tätigkeit gefordert und angewendet. Subjektiv wahrgenommene Inadäquanz ist im Durchschnitt ebenfalls selten, wobei hier größere fachspezifische Unterschiede aufscheinen. In den Rechtswissenschaften existiert subjektive Inadäquanz nahezu gar nicht (1,4%), in den Geistes- und Sozialwissenschaften werden mit 8,7% die höchsten Werte erzielt. Dennoch ist die Zufriedenheit mit der Erwerbstätigkeit und dem Karriereverlauf insgesamt hoch. Einzig bei der vertikalen Adäquanz, den Merkmalen der aktuellen Tätigkeit im Hinblick auf die Zugangsvoraussetzung und die berufliche Stellung, kann über alle Fächer hinweg ein größerer Effekt ausgemacht werden. Die Anteile derjenigen, die eine Stelle innehaben, die weder eine Führungsposition beinhaltet noch eine Promotion voraussetzt, schwanken zwischen 10 und 30%. Die Diskrepanz zwischen vertikaler Adäquanz und den beiden anderen Maßen lässt sich zum Einen darauf zurückführen, dass unabhängig vom Fachbereich ein Mangel an expliziten Promoviertenstellen am Arbeitsmarkt herrscht. Andererseits werden Führungspositionen in der Privatwirtschaft insbesondere von Absolventen der Wirtschaftswissenschaften eingenommen, während Geistes- und Sozialwissenschaftler und Juristen häufiger auf Professionen ausweichen, die auch von Nicht-Promovierten ausgeführt werden und seltener Führungsfunktionen beinhalten. Aufgrund der günstigen Position in der Bewerberschlange um diese vertikal inadäquaten Beschäftigungen sind die Tätigkeiten inhaltlich gleichwohl anspruchsvoll und werden von den Promovierten als angemessen wahrgenommen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass 75,7% der Promovierten auf allen drei Maßen adäquat beschäftigt sind. 21% sind auf einem Maß, meist dem vertikalen, inadäquat beschäftigt, während die restlichen 3,3% mehrfache Inadäquanz bei ihrer aktuellen Erwerbssituation aufweisen.
6 Welche Einflussfaktoren spielen bei der Frage nach adäquater Beschäftigung von Promovierten eine Rolle?
In den folgenden Analysen wird durch ordinal logistische und lineare Regressionsmodelle untersucht, von welchen Faktoren das Ausmaß adäquater bzw. inadäquater Beschäftigung unter Promovierten (fünf bis zehn Jahre nach Promotion) beeinflusst wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Ergebnisse aufgrund der spezifischen Fachkulturen und der unterschiedlichen Beschäftigungsdynamiken in segmentierten Teilarbeitsmärkten (Betriebsgröße als Indikator für interne vs. externe Arbeitsmärkte; öffentlicher Dienst vs. Privatwirtschaft) variieren. Als Referenzgruppe wurden die Geistes- und Sozialwissenschaften gewählt, da sie in den meisten Analysen eine mittlere Position einnehmen. Die gängigen Arbeitsmarkttheorien, die mit dem Konzept des Humankapitals argumentieren, legen nahe, dass sich mit steigendem Alter und der damit einhergehenden steigenden Berufserfahrung auch bestimmte Arbeitsplatzmerkmale, wie zum Beispiel der Lohn, verändern. Ob dies auch bei der Frage nach dem Ausmaß der Adäquanz einer Beschäftigung mit dem Bildungsniveau zutrifft, soll hier geprüft werden. Dabei geht aber nicht das Lebensalter in die Berechnung ein, sondern die Berufserfahrung vor der Promotion. Im Gegensatz zu einer eventuellen Positivbeeinflussung durch Berufserfahrung wird davon ausgegangen, dass Phasen der Arbeitslosigkeit negative Signale aussenden, die sich unter Umständen auch negativ auf die Beschäftigungsadäquanz nachfolgender Erwerbstätigkeiten auswirken können. Einerseits könnte hier ein ungünstiger Eindruck von einer Bewerbung entstehen, andererseits sind Arbeitnehmende unter Umständen eher bereit, eine inadäquate Beschäftigung anzunehmen, wenn als Alternative Arbeitslosigkeit oder eine schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt antizipiert wird. Ähnlich verhält es sich mit anderen Erwerbsunterbrechungen (Familienpause) im Erwerbsverlauf, wobei davon ausgegangen wird, dass eine lückenlose Erwerbsbiografie Arbeitsmarktchancen günstig beeinflusst. Als Risikofaktor für inadäquate Beschäftigung wird darüber hinaus das Arbeitspensum kontrolliert. Teilzeitarbeit ist dabei auch unter Promovierten mehrheitlich ein Merkmal der Frauenerwerbstätigkeit.Footnote 23 Es wird davon ausgegangen, dass Teilzeitarbeit einen negativen Einfluss auf die Adäquanz der Beschäftigung ausübt.
Schließlich soll die Kontrolle der sozialen HerkunftFootnote 24 im Regressionsmodell Aufschluss darüber geben, ob auch bei diesem hohen und in der Biografie relativ späten Bildungsabschluss der Promotion, die soziale Herkunft in das weitere Berufsleben hinein wirkt. Gemäß Status Attainment Theory (Blau u. Duncan 1967) hat das Elternhaus einen direkten Effekt auf das Bildungsniveau und den Berufseinstieg. Da sich dieser Effekt im späteren Berufsverlauf aber abschwächt, sollte die soziale Herkunft bei der Vorhersage der Beschäftigungsadäquanz von Promovierten nur schwache oder keine Effekte zeigen. Erkenntnisse der Elitenforschung in Deutschland deuten andererseits darauf hin, dass die Promotion bei der Besetzung der höchsten Spitzenpositionen in der Wirtschaft zwar ein notwendiges, aber nicht hinreichendes Eingangskriterium ist. Die soziale Herkunft stellt vielmehr für diese spezifische Gruppe am Arbeitsmarkt „einen eigenständigen Faktor der sozialen Auslese dar“ (Hartmann u. Kopp 2001, S. 436). Es ist zu erwarten, dass der Anteil Promovierter, die in Elitepositionen der Wirtschaft vorgerückt sind, nicht groß genug ist, um für alle Befragten einen genuinen Effekt der sozialen Herkunft am Arbeitsmarkt zu erzeugen.Footnote 25
Aus jedem Adäquanzbereich wurde die abhängige Variable gewählt, welche das entsprechende Adäquanzmaß am besten beschreibt. Bei den Analysen zur vertikalen Adäquanz wird die Anstellungsvoraussetzung zur aktuellen Beschäftigung als klassischer Indikator von Beschäftigungsadäquanz verwendet. Eine klare Definition eines adäquaten Promoviertengehaltes erscheint kaum möglich, weil sich die Promovierten nicht nur im Hinblick auf die unterschiedlichen Berufe und Tätigkeitsbereiche unterscheiden, sondern auch in ihrer Berufserfahrung und ihrem Alter sehr heterogen sind. Für sich betrachtet kann auch die berufliche Stellung aus denselben Gründen keine gültige Aussage über die Angemessenheit von Ausbildung und Erwerbsarbeit treffen. Die Promotion als Zugangsvoraussetzung für die Beschäftigung ist das einzige Maß, das als einzelnes betrachtet, ein klares Indiz für adäquate Beschäftigung darstellt. Bei der horizontalen Adäquanz konzentrieren sich die Analysen auf das angewendete Fachwissen (Hard Skill) bzw. das Ausmaß, in dem es bei der aktuellen Tätigkeit eingesetzt werden kann. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich eine adäquate Beschäftigung für Promovierte dadurch auszeichnet, dass während der Promotion erworbenes Wissen in der Erwerbstätigkeit auch umgesetzt werden kann. Über alle Fächer hinweg gehen wir davon aus, dass Fachwissen einen größeren Stellenwert einnimmt als Methodenkompetenz (vgl. mit den deskriptiven Analysen in diesem Artikel). Mit den Soft Skills lässt sich die Frage nach der Beschäftigungsadäquanz weniger genau beschreiben, da hier, ähnlich wie bei der Beurteilung des Lohnes, sehr heterogene Beschäftigungssituationen vorliegen. Zur Analyse der subjektiven Adäquanz wird ein additives Maß gebildet, welches aus den drei Aspekten der gegenwärtigen Tätigkeit und der Gesamtbeurteilung der Karriereerwartungen entstanden ist (Tabelle 2).Footnote 26
Die vertikale Adäquanz wird mittels ordinal logistischer Regressionen analysiert und die Chancenverhältnisse als odds ratios dargestellt (Tabelle 8). Fachspezifische Unterschiede zeigen sich in beiden Modellen dahingehend, dass in den naturwissenschaftlich-technischen Fachbereichen, unter Kontrolle der anderen Variablen, doppelt so häufig eine Promotion als Anstellungskriterium verlangt wird, als das bei den anderen Fächern der Fall ist. Im ersten Modell sind insgesamt bei den Frauen keine höheren Anforderungen an das Bildungsniveau bei der aktuellen Erwerbstätigkeit zu verzeichnen. Das ändert sich in Modell II, wenn der Anstellungsgrad in die Regression aufgenommen wird. Teilzeitarbeit hat den erwartet negativen Effekt und verringert die Chance auf adäquate Beschäftigung um die Hälfte. Weil Teilzeitarbeit eher unter Frauen verbreitet ist, wirkt sich dieser Effekt in Modell I dämpfend auf den Geschlechtereffekt aus. Frauen haben in Modell II unter Kontrolle des Anstellungspensums nun eine um das 1,6-fach höhere Chance auf adäquate Beschäftigung als Männer. Entgegen den Annahmen der Humankapitaltheorie erweist sich die Berufserfahrung vor der Promotion als nicht signifikant. Gleiches gilt für die Arbeitsmarktsegmentation. Weder die Betriebsgröße noch die Angaben dazu, ob es sich bei dem Arbeitsplatz um eine Anstellung im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft handelt, beeinflusst die Beschäftigungsadäquanz. Lediglich bei der Anstellung an einer Hochschule zeigt sich der erwartet positive Effekt des klassischen Akademikerarbeitsmarktes.
Mittels OLS-Regressionen werden die Einflussfaktoren auf die horizontale Beschäftigungsadäquanz analysiert. Im Unterschied zu den Ergebnissen der vertikalen Adäquanz kann kein Geschlechtereffekt ausgemacht werden. Promovierte Männer wie Frauen unterscheiden sich nicht im Anspruch an das Fachwissen, welches bei der Ausübung der derzeitigen Tätigkeit gebraucht wird. Doch zeigen sich auch hier fachspezifische Differenzen. Promovierte aus dem Fachbereich Recht weisen stabile und signifikant positive Effekte auf. Im Vergleich zu allen anderen Fächern zeigen sich im Schnitt um 0,5 Punkte höhere Anforderungen an fachliches Wissen. Bei der inhaltlichen Bewertung der aktuellen beruflichen Tätigkeit zeigt sich ein positiver Effekt der gesammelten Berufserfahrung, unabhängig vom Fachgebiet. Wie bei der vertikalen Adäquanz kann auch bei der horizontalen kein Effekt der Arbeitsmarktsegmentation festgestellt werden. Im Unterschied zur vertikalen Adäquanz führt ein verringertes Arbeitspensum nicht dazu, dass die Ansprüche an die Erwerbstätigkeit betreffend das Fachwissen abnehmen. Promovierte Teilzeitangestellte arbeiten offenbar in qualifizierten und anspruchsvollen Beschäftigungen. Arbeitslosigkeitserfahrungen haben einen signifikanten Effekt auf die horizontale Adäquanz und zeigen die antizipierte negative Signalwirkung.
Die OLS-Regressionen der subjektiven Adäquanz von Ausbildung und Erwerbstätigkeit zeigen, dass Juristen deutlich zufriedener mit ihrer aktuellen beruflichen Tätigkeit sind als alle anderen Fächer. Signifikant negativ, wie auch schon bei der horizontalen Adäquanz, wirken sich Arbeitslosigkeitserfahrungen im Berufsverlauf aus und führen zu einer schlechteren Beurteilung der derzeitigen Erwerbssituation. Wenn davon ausgegangen wird, dass die subjektive Adäquanz ein Abbild der objektiven Arbeitsplatzmerkmale darstellt, kann dies erneut als Indiz für die Signalwirkung von Erwerbsunterbrechungen interpretiert werden. In die gleiche Richtung wirkt in Modell I der Effekt der Familienpause und des Geschlechts. Wird der Anstellungsgrad in Modell II eingefügt, verringern sich diese beiden Effekte jedoch. Weder das Geschlecht noch familienbedingte Erwerbsunterbrechungen bleiben signifikant. Es scheint, dass beide Effekte durch den erhöhten Anteil von Frauen mit Kindern innerhalb der Teilzeitarbeitenden hervorgerufen werden. Damit bestätigt sich der schon bei der vertikalen Adäquanz sichtbare negative Zusammenhang zwischen Teilzeitanstellung und Beschäftigungsadäquanz.
Insgesamt betrachtet bestätigen die Regressionsanalysen die deskriptiven Befunde. Promovierte, die beruflich ihren Platz in der Hochschule gefunden haben, weisen die höchsten Adäquanzwerte auf. Den stärksten Einfluss auf die Beschäftigungsadäquanz übt der Anstellungsgrad aus. Teilzeitarbeit führt einerseits zu einer subjektiv geringer eingeschätzten Übereinstimmung zwischen Ausbildung und aktueller Erwerbstätigkeit. Andererseits ist auch der objektiv benötigte Bildungsabschluss als Zugangsvoraussetzung zur Erwerbstätigkeit weniger häufig eine Promotion, obwohl Teilzeitanstellungen fachlich anspruchsvoll zu sein scheinen. Die Erklärungskraft anderer Faktoren, die üblicherweise zur Erklärung inadäquater Beschäftigung herangezogen werden, ist bei den Promovierten gering bis gar nicht vorhanden. Die soziale Herkunft der Promovierten hat keinen Einfluss auf die Beschäftigungsadäquanz. Fünf bis zehn Jahre nach der Promotion spielt es für die berufliche Situation keine Rolle mehr, ob Promovierte aus einem akademischen Elternhaus stammen. Damit bestätigt sich die zuvor geäußerte Vermutung, dass die Ergebnisse der Elitenforschung nicht auf die allgemeine Analyse der Karriere von Promovierten übertragbar sind. Als unerheblich erweisen sich auch segmentationstheoretisch begründete Variablen wie die Betriebsgröße als Indikator für interne Arbeitsmärkte sowie die Frage, ob der Arbeitsplatz in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst angesiedelt ist.
7 Fazit: Zuviel gelernt? Inadäquate Beschäftigung in der Schweiz
Ziel dieser Untersuchung war es, die Beschäftigungssituation von promovierten Akademikerinnen und Akademikern in der Schweiz zu betrachten und die Frage zu beantworten, ob und inwiefern problematische Bedingungen zu verzeichnen sind. Bereits die unterdurchschnittlich geringe Arbeitslosenquote von Promovierten weist darauf hin, dass es den Promovierten gelingt, sich am Arbeitsmarkt durchzusetzen. Darüber hinaus sollte der Frage nachgegangen werden, ob die Arbeitsplätze auch dem hohen Bildungsniveau einer Promotion gerecht werden, kurz: Verfügen Akademikerinnen und Akademiker mit Doktortitel in der Schweiz über eine ihrer Ausbildung entsprechende Erwerbstätigkeit? Diese Frage kann deutlich mit ja beantwortet werden, Abweichungen sind marginal bis vernachlässigbar. Dabei sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Messung von Beschäftigungsadäquanz mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist.
Zunächst einmal handelt es sich bei den meisten Untersuchungen zu diesem Thema um subjektive Einschätzungen von Merkmalen des Arbeitsplatzes. Das heißt, dass individuelle Differenzen der persönlichen Einschätzung zu erwarten sind. Die gleiche Arbeitssituation kann demnach als befriedigend oder untragbar empfunden werden, was sich aus den unterschiedlichen Kosten-Nutzen-Kalkulationen der Personen ableitet. Die üblichen „objektiven“ Kriterien, wie monetärer Erfolg oder ein hoher beruflicher Status, reichen nicht aus, um zu erklären, was unter subjektiver Beschäftigungsadäquanz verstanden werden kann. Aus den Bemerkungen der Befragten ging immer wieder hervor, dass die Promotionsphase von einigen als „Lebensschule“ betrachtet wird, deren Zweck sich aus einem übergeordneten Bildungshunger oder Forschungsdrang ergibt und als bereichernde persönliche Erfahrung eingestuft wird. Dass über den Doktortitel und objektive Kriterien des Berufserfolgs hinaus promovierte Akademikerinnen und Akademiker sich bewusst gegen ein Normalarbeitsverhältnis entscheiden und somit „freiwillig“ ein gewisses Maß an Inadäquanz auf sich nehmen, darf hier nicht unerwähnt bleiben. Die individuelle Beurteilung der aktuellen Beschäftigungssituation hängt aber auch in hohem Maße davon ab, welche Vergleichsgruppe von den Befragten implizit herangezogen wird, wenn man danach fragt, ob und in welchem Maße ihre aktuelle Tätigkeit ihrer Ausbildung entspricht. Vergleiche mit Promovierten des gleichen Faches fallen vermutlich anders aus als die fachübergreifenden; Vergleiche zwischen Promovierten und Nicht-Promovierten wiederum anders als zwischen den Geschlechtern.
Beschäftigungsadäquanz bei promovierten Akademikerinnen und Akademikern ist auch deshalb schwierig zu beurteilen, weil wir es hier mit einer ganz spezifischen Gruppe von Personen zu tun haben, die über die höchsten Bildungsabschlüsse verfügen. Der Schluss liegt nahe, dass dementsprechend auch die Beschäftigungen den höchsten Ansprüchen genügen müssen. Ab welchem Punkt aber gilt eine Stelle als inadäquat für Promovierte? Dies ist auch insofern eine schwierige Frage, weil es außerhalb von Hochschulen keine expliziten Promoviertenarbeitsmärkte gibt, sondern sich diese „… auf unterschiedlichen Arbeitsmarktsektoren und berufsfachlichen Arbeitsmärkten mit Grenzzonen bewegen, in denen Akademiker mit unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen Beschäftigungs- und Aufstiegschancen haben“ (Enders u. Bornmann 2001, S. 26). Deshalb reicht es nicht aus, bei der Beschäftigungsadäquanz lediglich zu betrachten, ob eine Promotion für die Stelle vorausgesetzt wird. Vielmehr muss Beschäftigungsadäquanz auf verschiedenen Ebenen betrachtet und beurteilt werden, um die über die spezifische wissenschaftliche Ausbildung hinausgehende Wirkung des allgemeinen Bildungsabschlusses Promotion darzustellen.
Um möglichst viele Facetten dieses komplexen Konstrukts abbilden zu können, wurden drei Adäquanzmaße definiert und analysiert: Vertikale Adäquanz, die sich auf Merkmale der Beschäftigung (Zugangsvoraussetzung, berufliche Stellung, Lohn) bezieht, horizontale Adäquanz, die Ausbildungsinhalte mit beruflichen Anforderungen vergleicht und subjektive Adäquanz, die individuelle Beurteilung der aktuellen Erwerbstätigkeit. Die deskriptiven Analysen ergaben, dass die Mehrheit der Promovierten fachlich anspruchsvollen Tätigkeiten nachgeht, die entsprechend honoriert werden und die vielfach mit hohem beruflichen Status und entsprechender Entlohnung einhergehen. Diskrepanzen zeigten sich beim Vergleich der Ausbildungsinhalte mit fachunabhängigen beruflichen Anforderungen, den Soft Skills. Dies war vor allem in den Bereichen überraschend, die das „Kerngeschäft“ von Promovierenden betreffen, wie zum Beispiel das Präsentieren von Arbeitsergebnissen. Die subjektive Einschätzung der Erwerbssituation ist durchwegs positiv und die allermeisten Promovierten sehen ihre Erwartungen, die sie im Hinblick auf ihre berufliche Karriere hatten, fünf bis zehn Jahre nach der Promotion mehr als erfüllt. Beeinflusst werden alle drei Adäquanzmaße von den jeweiligen Fachbereichen, in denen promoviert und gearbeitet wird. Die naturwissenschaftlich-technischen Promovierten haben vor allem in der vertikalen Adäquanz einen Vorsprung, während auf der horizontalen und der subjektiven Ebene die Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler positiv auffallen. Damit bestätigen sich Befunde, die den Einfluss der Fachkulturen und damit zusammenhängender Arbeitsmärkte betonen. Wird die Promotion in der Einstellungspraxis quasi obligatorisch, wie das in manchen naturwissenschaftlichen Bereichen auch aufgrund der hohen Promotionsraten der Fall ist, sind damit horizontal und subjektiv nicht zwingend Vorteile verbunden. In diesen Adäquanzmaßen zeigen die bestbezahlten Erwerbstätigen, Promovierte der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, ein deutlich positiveres Bild. Die große Anzahl erfolgreich selbstständiger Juristen und Juristinnen trägt insbesondere zu einer größeren subjektiven Adäquanz bei. Die Sozialwissenschaften nehmen, entgegen der weit verbreiteten Ansicht, dass es hier die größten Probleme gibt, meist eine mittlere Position ein.
Geschlechtsspezifische Unterschiede haben sich als in hohem Maße vom Anstellungsgrad abhängig erwiesen, wobei inadäquate Beschäftigung vor allem mit Teilzeitarbeit einhergeht, die ihrerseits überwiegend von Frauen ausgeführt wird. Andere Indikatoren, welche üblicherweise zur Erklärung von inadäquater Beschäftigung herangezogen werden, scheinen auf die Promovierten in der Schweiz keinen nennenswerten Einfluss auszuüben. Merkmale segmentierter Arbeitsplätze, Berufserfahrung und soziale Herkunft sind unerheblich. Selbst die seltenen Erwerbsunterbrechungen wegen Arbeitslosigkeit haben nur Effekte auf die fachlichen Anforderungen und das individuelle Empfinden der Adäquanz der Beschäftigung, nicht aber auf das Anforderungsniveau bei den Zugangsvoraussetzungen der Erwerbstätigkeit. Andere Erwerbsunterbrechungen, wie zum Beispiel familienbedingte Pausen, beeinflussen die Beschäftigungsadäquanz bei den höchstqualifizierten nicht signifikant. Ein Umstand, der sich in Schichten mit niedrigerem Bildungsniveau vermutlich anders darstellt.
Wie viele Promovierte in der Schweiz sind nun inadäquat beschäftigt, freiwillig oder gezwungenermaßen? Dreiviertel der befragten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen weisen auf keinem der drei Adäquanzmaße einen negativen Wert auf. Ein weiteres Fünftel ist auf nur einem Maß, meist dem vertikalen, „inadäquat“. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Personen, welche weder über eine Führungsposition verfügen noch eine Promotion als Zugangsvoraussetzung für die aktuelle Stelle benötigten, was aber nicht bedeutet, dass es sich dabei um fachlich anspruchslose Beschäftigungen handelt oder die Promovierten mit ihrer beruflichen Situation hadern. Dies zeigt sich vor allem daran, dass mit knapp 3% Mehrfachinadäquanz sehr selten ist.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Arbeitslosigkeit und inadäquate Beschäftigung unter Promovierten ein marginales Problem darstellt. Im Gegenteil, gemäß Hypothesen 1a und 1b erweisen sich die Arbeitsmarktperspektiven für Hochgebildete in der Schweiz als hervorragend, sowohl innerhalb wie außerhalb der Hochschulen, auch wenn die in Hypothese 3 vermuteten fachspezifische Unterschiede berücksichtigt werden müssen. Segmentationstheoretische Ansätze (Hypothese 2) konnten weniger gut für Promovierte nachvollzogen werden, Promovierte verteilen sich gleichermaßen auf Arbeitsplätze, die Merkmale interner wie externer Arbeitsmärkte aufweisen, ohne dass sich dieser Umstand auf die Beschäftigungsadäquanz auswirkt. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die positive Signalwirkung des Bildungsabschlusses auch außerhalb des Hochschulbereiches wirksam ist. Insofern bestätigen sich auch die Thesen der Signal- und Humankapitaltheorie: Die Investition in Bildung zahlt sich aus (Hypothese 4a). Entgegen den Vermutungen von Hypothese 4b haben Erwerbsunterbrechungen keine signifikant negativen Effekte auf die vertikale Beschäftigungsadäquanz. Geschlechtsspezifische Effekte wirken, wie in Hypothese 5 erwartet, zuungunsten der Frauen, lassen sich aber zum Teil durch Selbstselektionsprozesse wie Teilzeitarbeit erklären, womit auch Hypothese 4c bestätigt wäre. Bezüglich der Verdienstmöglichkeiten muss konstatiert werden, dass promovierte Frauen deutlich weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, obwohl sie häufiger berufliche Tätigkeiten ausüben, die eine Promotion als Einstellungsvoraussetzung haben als Männer. Dies könnte vor allem daran liegen, dass Frauen nach Promotionsende häufiger im Hochschulbereich verbleiben (Tabelle 1), jedoch ohne dort in gleichem Maße in Führungspositionen (Lehrstuhlinhaber) aufzusteigen, ein Phänomen, das auch als „Leaky Pipeline“ bekannt ist (Lévy u. Pastor 2003).
Einschränkend muss festgehalten werden, dass dieses absolute Maß von Beschäftigungsadäquanz aufgrund der nicht einfachen Abgrenzung von adäquater und inadäquater Beschäftigung und der individuell unterschiedlichen Wahrnehmung durch die Promovierten selbst die Ergebnisse mit Vorsicht bewertet werden müssen. Für eine umfassendere Beurteilung der Situation der Promovierten auf dem Arbeitsmarkt wäre es insbesondere notwendig, die Seite der Arbeitgebenden zu berücksichtigen, die Einstellungspraxen näher zu beleuchten und auch die jeweiligen konjunkturellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten.
Kurzfassung
Ziel dieser Untersuchung ist es, die Beschäftigungssituation von promovierten Akademikerinnen und Akademikern in der Schweiz zu betrachten und die Frage zu beantworten, ob und inwiefern problematische Bedingungen zu verzeichnen sind. Bereits die unterdurchschnittlich geringe Arbeitslosenquote von Promovierten weist darauf hin, dass es den Promovierten gelingt, sich am Arbeitsmarkt durchzusetzen. Darüber hinaus sollte der Frage nachgegangen werden, ob die Arbeitsplätze auch dem hohen Bildungsniveau einer Promotion gerecht werden, kurz: Gehen Akademikerinnen und Akademiker mit Doktortitel in der Schweiz einer ihrer Ausbildung entsprechend adäquaten Erwerbstätigkeit nach? Diese Frage kann deutlich mit ja beantwortet werden. Dabei sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Messung von Beschäftigungsadäquanz mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist.
Bei den meisten Untersuchungen zu diesem Thema handelt es sich um subjektive Einschätzungen. Die gleiche Arbeitssituation kann demnach als befriedigend oder untragbar empfunden werden, was sich aus den unterschiedlichen Kosten-Nutzen-Kalkulationen der Personen ableitet. Die üblichen „objektiven“ Kriterien, wie monetärer Erfolg oder ein hoher beruflicher Status, reichen alleine auch nicht aus, um Beschäftigungsadäquanz zu erfassen.
Beschäftigungsadäquanz bei Promovierten ist auch deshalb schwierig zu beurteilen, weil es sich um eine spezifische Gruppe von Personen handelt, die über die höchsten Bildungsabschlüsse verfügen. Dementsprechend müssen auch die Beschäftigungen höchsten Ansprüchen genügen. Ab wann aber gilt ein Job als inadäquat für Promovierte? Da es außerhalb der Hochschulen keine expliziten Promoviertenarbeitsmärkte gibt, sondern sich diese auf unterschiedlichen Arbeitsmarktsektoren mit unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen, Beschäftigungs- und Aufstiegschancen bewegen, fällt die Antwort schwer. Um möglichst viele Facetten des komplexen Konstrukts Beschäftigungsadäquanz abzubilden, wurden drei Adäquanzmaße definiert und analysiert: Vertikale Adäquanz, die sich auf Merkmale der Beschäftigung (Zugangsvoraussetzung, berufliche Stellung, Lohn) bezieht, horizontale Adäquanz, die Ausbildungsinhalte mit beruflichen Anforderungen vergleicht und subjektive Adäquanz, die individuelle Beurteilung der aktuellen Erwerbstätigkeit. Die deskriptiven Analysen ergaben, dass die Mehrheit der Promovierten fachlich anspruchsvollen Tätigkeiten nachgeht, die entsprechend honoriert werden und vielfach mit einem hohen beruflichen Status einhergehen. Diskrepanzen zeigten sich beim Vergleich der Ausbildungsinhalte mit fachunabhängigen beruflichen Anforderungen, den Soft Skills. Dies war vor allem in den Bereichen überraschend, die das „Kerngeschäft“ von Promovierenden betreffen, wie zum Beispiel das Präsentieren von Arbeitsergebnissen. Spezifische Fach- und Methodenkompetenzen werden jedoch meistens benötigt. Die subjektive Einschätzung der Erwerbssituation ist durchwegs positiv und die allermeisten Promovierten sehen ihre Erwartungen an ihre berufliche Karriere mehr als erfüllt. Dennoch gibt es fachbereichsspezifische Unterschiede: Die naturwissenschaftlich-technischen Promovierten haben vor allem in der vertikalen Adäquanz einen Vorsprung, während auf der horizontalen und der subjektiven Ebene die Juristinnen und Juristen positiv auffallen. Befunde, die den Einfluss der Fachkulturen und entsprechender Arbeitsmärkte betonen, werden bestätigt. Wird die Promotion in der Einstellungspraxis quasi obligatorisch, wie das in manchen naturwissenschaftlichen Bereichen auch aufgrund der hohen Promotionsraten der Fall ist, sind damit horizontal und subjektiv nicht zwingend Vorteile verbunden. Promovierte der Wirtschaftswissenschaften besetzen häufig Führungspositionen, während die große Anzahl erfolgreich selbständiger Juristen und Juristinnen insbesondere zu einer größeren subjektiven Adäquanz beiträgt. Die Sozialwissenschaften nehmen, entgegen der weit verbreiteten Ansicht, dass es hier die größten Probleme gibt, in allen Adäquanzmaßen eine mittlere Position ein. Geschlechtsspezifische Unterschiede sind in hohem Maße vom Anstellungsgrad abhängig, wobei inadäquate Beschäftigung vor allem mit Teilzeitarbeit einhergeht, die ihrerseits überwiegend von Frauen ausgeführt wird.
Andere Indikatoren inadäquater Beschäftigung, wie Merkmale segmentierter Arbeitsplätze, Berufserfahrung und soziale Herkunft, scheinen auf die Promovierten in der Schweiz keinen nennenswerten Einfluss auszuüben. Selbst die seltenen Erwerbsunterbrechungen wegen Arbeitslosigkeit haben nur Effekte auf die fachlichen Anforderungen und das individuelle Empfinden der Adäquanz der Beschäftigung, nicht aber auf das Anforderungsniveau bei den Zugangsvoraussetzungen der Erwerbstätigkeit. Andere Erwerbsunterbrechungen, wie zum Beispiel familienbedingte Pausen, beeinflussen die Beschäftigungsadäquanz bei den Höchstqualifizierten nicht signifikant.
Wie viele Promovierte in der Schweiz besetzen nun inadäquate Jobs, freiwillig oder gezwungenermaßen? Dreiviertel der Befragten weisen auf keinem der drei Adäquanzmaße einen negativen Wert auf. Ein weiteres Fünftel ist auf nur einem Maß, meist dem vertikalen, „inadäquat“. Das sind hauptsächlich Personen, welche weder über eine Führungsposition verfügen noch eine Promotion als Zugangsvoraussetzung für den aktuellen Job benötigten, was aber nicht bedeutet, dass es sich dabei um fachlich anspruchslose Beschäftigungen handelt oder die Promovierten mit ihrer beruflichen Situation hadern. Dies zeigt sich vor allem daran, dass mit knapp 3% Mehrfachinadäquanz sehr selten ist.
In der Schweiz stellt Arbeitslosigkeit und inadäquate Beschäftigung unter Promovierten ein marginales Problem dar. Einschränkend muss festgehalten werden, dass dieses absolute Maß von Beschäftigungsadäquanz aufgrund der schwierigen Abgrenzung von adäquater und inadäquater Beschäftigung und der individuell unterschiedlichen Wahrnehmung durch die Promovierten selbst mit Vorsicht bewertet werden muss. Für eine umfassendere Beurteilung der Situation der Promovierten auf dem Arbeitsmarkt wäre es insbesondere notwendig, die Seite der Arbeitgebenden zu berücksichtigen, die Einstellungspraxen näher zu beleuchten und auch die jeweiligen konjunkturellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten.
Executive summary
Aim of this study is to analyse the employment situation of Swiss academics with a doctoral degree and to answer the question if and to what extend a problematic employment situation is prevalent. Already the low unemployment rate among PhDs is an indication for their favourable position on the labour market. Using data from the National Science Foundation Project “PhD and Career'' with 1329 respondents, receiving their PhD diploma between 1997 and 2004 at one of five universities in the German-speaking part of Switzerland, this paper addresses the question whether jobs of PhD graduates fit their high level of education. In other words – are jobs PhDs hold adequate? The answer is: Yes, they are!
When measuring adequacy the difficulty of definition is an important issue. Most studies dealing with this topic analyse subjective evaluations of the employment situation. The same situation can be considered as satisfying or unbearable depending on the view of the employee. On the other hand, one can refer to objective criteria like monetary success or professional status. These measures can't cover the whole concept of job adequacy either. Another difficulty in measuring job adequacy is that PhDs possess the highest educational certificates and therefore their employment should satisfy the highest expectations. Nevertheless, when is a job inadequate for a PhD? Especially for PhDs working outside university this question is hard to answer because there are no explicit labour markets for academics outside academia. We defined and analysed three measures of job adequacy to include a variety of approaches: Vertical adequacy describes objective job criteria (job entry requirements, professional status, wages), horizontal adequacy compares educational contents with job contents and subjective adequacy is the individual evaluation of the current employment.
Descriptive analyses show that most of the PhDs work in intellectually demanding jobs, in high professional positions and with according wages. Comparing educational contents regarding soft skills with required abilities on the labour market, we state deviations. This is especially surprising in the core fields of doctoral training such as presenting research findings to an audience. Specific professional and methodological competencies, so-called hard skills, are commonly required. Subjective evaluation of the job situation is mostly positive and meets their expectations.
Differences between fields of study are common in many ways. Natural sciences and engineering PhDs profit from advantages in vertical adequacy whereas in the law field positive effects appear in horizontal and subjective adequacy. Results stressing the link between academic cultures and segmented labour markets are confirmed. In some natural and technical sciences the high percentage of PhD graduates results in higher job entry requirements without advantages in subjective and horizontal characteristics. Economists on the other hand are much more likely to gain an executive position while law graduates, partly due to the significant number of freelancers, report high values of subjective adequacy. Contrary to the popular belief that social scientist have the biggest problems on the labour market, we find them in all measures in middle positions. Gender differences are highly dependent on employment status, such as part-time work which is a female phenomenon.
Other determinants of job adequacy including labour market segmentation, job experience and social origin show no significant impact. Even gaps in employment history, which are quite rare, influence only individual subjective evaluations of the job situation but not objective measures as job entry requirements. Moreover, we can't find a significant impact of family leaves from the labour market.
How many PhDs in Switzerland are employed inadequately, voluntarily or under constraint? Three quarters of respondents have no negative value on any measure of job adequacy at all. Another fifth is vertically inadequate regarding lower than PhD job entry requirements or they are not in an executive position. Nevertheless, these jobs are demanding concerning professional skills and PhDs are content with their job situation. Only three percent of the respondents are inadequately employed on more than one measure of adequacy.
In Switzerland unemployment of academics and inadequate occupation is an overall marginal problem. However, because of the difficulties in defining job adequacy and the individual subjective perception of the employment, these results are to be interpreted carefully. For a comprehensive estimation of the job situation of PhDs on the labour market, it would be necessary to include the position of the employers, the hiring processes and economical developments on the labour market.
Notes
Dies ist auf die niedrige Maturitätsquote in der Schweiz zurückzuführen, die bei ca. 20% liegt (Oeuvray et al. 2006).
Als Erwerbslose gelten Personen im Alter von 15–74 Jahren, die nicht erwerbstätig sind und aktiv eine Arbeit suchen. Nicht berücksichtigt werden Nicht-Erwerbspersonen, welche aus verschiedenen Gründen (z. B. Pensionierung, Ausbildung, Haus- und Familienarbeit) nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Im Gegenteil rekrutiert die Schweiz Akademiker und Akademikerinnen aus dem Ausland, um ihren Bedarf zu decken. 1998 betrug der Ausländeranteil am Personal in universitären Hochschulen 30,5%. Seither ist der Anteil auf 38,5% bis 2007 stetig gestiegen (BFS 2008c).
Eine andere Frage ist die, ob es sich „lohnt“, zu promovieren. Zu deren Beantwortung ist ein Vergleich notwendig zwischen Promovierten und Nicht-Promovierten, wie er in der Analyse von Engelage u. Hadjar (2008) durchgeführt wurde. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass Promovierte sowohl hinsichtlich objektiver Kriterien wie Gehalt und Arbeitslosigkeitsrisiko als auch in der subjektiven Beurteilung der Beschäftigungssituation deutliche Vorteile genießen.
Die Schweiz, Deutschland und Österreich kennen außerdem noch die Habilitation als höchste Qualifikationsstufe. Die sogenannte „Venia Legendi“ (Lehrbefähigung) berechtigt zum Führen eines Lehrstuhls in einem bestimmten wissenschaftlichen Fach.
CEO (Chief Executive Officer) und PDG (Président-Directeur Général) sind die im englischsprachigen bzw. französischsprachigen Raum gängigen Abkürzungen für die Geschäftsführer.
In der Schweiz kommt dem Doktorat je nach Region unterschiedliche Bedeutung zu. In der Westschweiz, nach französischem Vorbild, gilt die Promotion als Vorbereitung auf eine akademische Karriere. Da Habilitationen unüblich sind, kann eine Professur nach dem Doktorat und kurzer Postdocphase angestrebt werden.
Das Phänomen der Unterqualifikation sollte bei den Promovierten keine Rolle spielen oder nur in seltenen Ausnahmefällen auftreten Daher wird hier ausschliesslich die Situation betrachtet, dass eine Person mit Promotion eine Erwerbstätigkeit ausübt, für die sie, aus verschiedenen Gründen, überqualifiziert ist.
Arbeitszufriedenheit bzw. Berufszufriedenheit ist die Summe verschiedener Einstellungen, die die Person gegenüber der Arbeit, den verwandten Faktoren und gegenüber dem Leben im Allgemeinen hat (von Haller Gillmer 1969).
Streng genommen handelt es sich auch bei der horizontalen Adäquanz um subjektive Einschätzungen, wenn gefragt wird, ob und in welchem Maße bestimmte Kompetenzen im Studium erlernt und bei der Arbeit auch gebraucht werden. Für eine objektivere Beurteilung wäre zusätzlich eine Analyse von Stellenprofilen und Angaben der Arbeitgebenden notwendig, die aber den Rahmen der meisten Untersuchungen von Berufskarrieren sprengen.
Datengrundlage: Deutsche Absolventenstudie von Universitäten und Fachhochschulen, ein Jahr nach Abschluss des Erststudiums Jahrgang 1997 und 2001 sowie fünf Jahre nach Abschluss des Jahrgangs 1997.
Obwohl der Fragebogen auch an promovierte Absolventinnen und Absolventen verschickt wird, werden diese in der Regel in den Analysen und Publikationen nicht mit berücksichtigt.
Datengrundlage: Schweizer Absolventenbefragung 2001, befragt ein Jahr nach Studienabschluss 2000.
Exemplarisch für die unterschiedlichen Fach- und Arbeitsmarktkulturen wurden die Fächer Elektrotechnik, Biologie, Wirtschaftswissenschaften, Sozialwissenschaften und Mathematik untersucht.
Datengrundlage: zweijährliche Schweizer Absolventenstudie.
Die Fachbereiche Medizin und Pharmazie wurden von der Stichprobe ausgeschlossen, da hier so häufig mit einem Doktorat abgeschlossen wird, dass der Doktortitel in diesen Fächern nicht die Distinktionskraft und den besonderen Stellenwert einnimmt, der in der Untersuchung unterstellt wird.
Der hohe Rücklauf wurde ohne die Verwendung von Incentives erreicht, die den Rücklauf üblicherweise noch steigern (Becker et al. 2007).
Das Gehalt wird in den folgenden Analysen nicht weiter auf Adäquanz geprüft, da die Frage, was ein adäquates Promoviertengehalt ist, zu komplex ist. Legt man als Untergrenze jedoch fest, dass ein adäquater Lohn von Promovierten über dem Durchschnitt der gesamten Erwerbsbevölkerung (gemäß Rouvinez Mauron (2008) 5674,00 SFr. monatlich im Jahr 2006) liegen sollte, ist der Anteil inadäquat Entlöhnter mit 2,6% vernachlässigbar klein. Es sollte jedoch die Willkürlichkeit dieser Grenzziehung bei der Interpretation beachtet werden.
Wert < 4 auf einer siebenstufigen Skala.
Selbstständig tätige Promovierte wurden aus dem Sample ausgeschlossen, da die Zugangsvoraussetzungen oft diffus sind und es vielfach unmöglich ist, die berufliche Stellung klar zu definieren.
Dieses relativ „strenge“ Adäquanzmaß schließt Angestellte ohne Führungsposition aus, die Erwerbstätigkeiten ausüben, für welche ein universitäres Studium, nicht aber ein Doktortitel als Zugangsvoraussetzung genannt wurden. Diese heterogene Gruppe setzt sich aus Erwerbstätigen aus allen Branchen und Fachbereichen zusammen, sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft. Unter ihnen befinden sich zum Beispiel Projekt- oder Produktmanager der Chemie- und Pharmabranche, die angeben, keine direkt unterstellten Mitarbeiter zu führen, sowie Gymnasial- und Mittelschullehrkräfte.
Teilzeitarbeit in der Hauptbeschäftigung ist definiert als unter 80% Anstellungsgrad. 14% Männer und 39% der Frauen sind im Sample teilzeitbeschäftigt.
Hier wurde eine Dummy-Variable gebildet, die bei der sozialen Herkunft zwischen akademischem und nichtakademischem Elternhaus unterscheidet. Dabei wurde das höchste Bildungsniveau des Vaters oder der Mutter berücksichtigt.
Hartmann u. Kopp (2001) haben für ihre Analyse den umgekehrten Sampling-Weg gewählt und untersuchen „Leitende Männer und Frauen der Wirtschaft“, ausgewählt anhand des Hoppenstedt-Handbuchs, also Personen, die bereits Elitepositionen besetzen.
Mit einem Cronbachs Alpha von 0,8 hat sich dieses additive Maß als reliabel erwiesen.
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Engelage, S., Schubert, F. Promotion und Karriere – Wie adäquat sind promovierte Akademikerinnen und Akademiker in der Schweiz beschäftigt?. ZAF 42, 213–233 (2009). https://doi.org/10.1007/s12651-009-0017-7
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