In diesem Aufsatz haben wir für Deutschland die Zusammenhänge zwischen der betrieblichen Beschäftigungsentwicklung, den Einstellungen und Entlassungen unter Verwendung der Daten des IAB-Betriebspanels und der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) untersucht. Die Zusammenhänge sind auch zentral für die international vergleichende Analyse der Dynamik der Arbeitslosigkeit.
Die zentralen Ergebnisse der Studie sind folgende: Erstens ist die Anzahl der Einstellungen und Freisetzungen in Deutschland wesentlich geringer als in den USA. Zweitens ergeben sich aus den Analysen große Übereinstimmungen zu den Ergebnissen von Davis et al. (2006) im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Beschäftigungsänderungen und Personalfluktuation: Die Personalabgangsraten für schrumpfende Betriebe entsprechen weitestgehend den Personalzugangsraten bei wachsenden Betrieben. Damit finden wir ähnliche Unterschiede wie Davis et al. (2006) im Vergleich zu Frankreich, wo die Betriebe nach Abowd et al. (1999) ihre Beschäftigung in erster Linie über eine Variation der Personalzugangsraten anpassen. Drittens zeigen sich für das beobachtete Churning auf der Basis der Daten der Beschäftigtenstatistik deutlich höhere Werte als auf der Basis des IAB Betriebspanels. Viertens ergibt sich aus unseren Analysen, dass von einem Beschäftigungsabbau insbesondere jüngere Personen mit geringerer Betriebszugehörigkeitsdauer, niedrigerem Schulabschluss, geringerem Lohn und geringfügig Beschäftigte betroffen sind. Allerdings sind an dieser Stelle noch weitere Untersuchungen notwendig. Auch wäre die Annahme, dass alle Arbeitsplätze identisch sind und keine Stelle unbesetzt bleibt, noch weiter zu hinterfragen. So dürfte ein erhöhter Fachkräftebedarf Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Einstellungen/Entlassungen und Beschäftigungsänderungen haben. Hier wäre dann auch noch genauer nach freiwilligen/unfreiwilligen Kündigungen zu unterscheiden.
Auf unserer Forschungsagenda steht dementsprechend eine vertiefte Betrachtung der Abgangsgründe aus einem Beschäftigungsverhältnis und der Charakteristika der freigesetzten Personen. Auch sollten weitere Studien die Dynamik der Beschäftigungsanpassungen näher beleuchten. Denkbar wäre etwa, dass Beschäftigungsänderungen aufgrund von Kündigungsschutzregeln über einen längeren Zeitraum gestreckt werden. Diese Fragen können nur dann beantwortet werden, wenn man die Daten des IAB-Betriebspanels und der Beschäftigtenstatistik kombiniert. Schließlich kooperieren wir mit einer von der OECD organisierten Gruppe von Wissenschaftlern aus Kanada, Dänemark, Frankreich, Italien, Japan, Neuseeland Portugal und den USA um international vergleichende Analysen durchzuführen und die Rolle bestimmter Arbeitsmarktinstitutionen, wie dem Kündigungsschutz und den industriellen Beziehungen, untersuchen zu können.
Kurzfassung
Es wird oft behauptet, dass ein entscheidender Unterschied zwischen dem US-amerikanischen und den kontinental-europäischen Arbeitsmärkten in der betrieblichen Anpassungsfähigkeit des Beschäftigungsniveaus besteht. Beispielsweise argumentieren Pries und Rogerson (2005), dass die Arbeitskräftemobilität in Europa wesentlich niedriger sei als in den USA, obwohl sich die Arbeitsplatzmobilität ähnele; dies könne teilweise durch politische Maßnahmen und institutionelle Unterschiede wie Mindestlöhne und Entlassungskosten erklärt werden. In Europa sind die Eintrittsraten in die Arbeitslosigkeit geringer, dafür ergeben sich aber auch längere Arbeitslosigkeitsdauern. Die betrieblichen Einstellungs- und Entlassungsraten sind in Europa ebenfalls niedriger als in den USA. Ein tieferes Verständnis für den Zusammenhang zwischen der Beschäftigungsentwicklung auf der einen Seite und den Einstellungen und Entlassungen auf der anderen Seite ist schließlich wichtig, um die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Rezessionen und Boomphasen abschätzen zu können.
Grundsätzlich können Betriebe ihre Beschäftigung sowohl über eine Variation der Einstellungen als auch der Entlassungen anpassen, d. h. Reduktionen des Beschäftigungsniveaus können etwa über Einstellungsstopps auf der einen und mehr Entlassungen auf der anderen Seite realisiert werden. Aufgrund des strikten Kündigungsschutzes in Deutschland würde man erwarten, dass eine Reduktion des Beschäftigungsniveaus eher über eine Verringerung der Einstellungen herbeigeführt wird und die Personalbewegungen insgesamt in Deutschland etwas niedriger ausfallen als etwa in den USA.
In unseren Analysen auf der Grundlage des IAB-Betriebspanels zeigt sich tatsächlich, dass der Anteil der Einstellungen und Freisetzungen in Deutschland insgesamt wesentlich geringer ist als in den USA. Auch ergeben sich aus den Analysen große Übereinstimmungen zu den Ergebnissen von Davis et al. (2006), die auf US-amerikanischen Daten beruhen, und zwar im Hinblick auf die Beziehungen zwischen Beschäftigungsänderungen und Personalfluktuation: Die Personalabgangsraten für schrumpfende Betriebe entsprechen dabei weitestgehend den Personalzugangsraten in wachsenden Betrieben. Damit finden wir einen klaren Unterschied zu Frankreich, wo die Betriebe nach den Ergebnissen von Abowd et al. (1999) ihre Beschäftigungsanpassungen in erster Linie über eine Variation der Personalzugangsraten anpassen.
Ein weiterer Befund besteht darin, dass die beobachteten Churningraten auf der Basis der Daten der Beschäftigtenstatistik deutlich höhere Werte aufweisen als auf der Basis des IAB-Betriebspanels. Wenngleich man über die Gründe an dieser Stelle nur spekulieren kann. So wäre es durchaus vorstellbar, dass einerseits Befragungsdaten die Churningrate systematisch unterschätzen, da sehr kurzfristige Ein- und Ausstellungen aus der Wahrnehmung des betrieblichen Repräsentanten verschwinden, in administrativen Daten hingegen nicht verloren gehen. Andererseits wäre auch die Frage zu stellen, inwieweit eben mit den Befragungsdaten das „relevante“ Churning beobachtet wird. „Relevant“ in dem Sinne, dass es in der Wahrnehmung bzw. dem Bewusstsein der Betriebe auftaucht und somit in ihre Entscheidungsfindung einfließt. Nichtsdestotrotz bleibt der eigentlich interessante Befund erhalten, wonach ein Beschäftigungsabbau in erster Linie mit einer Erhöhung der Personalabgänge einhergeht.
Insgesamt überraschen die Ergebnisse vor dem Hintergrund des vergleichsweise ausgeprägten Schutz gegen Kündigungen in Deutschland (OECD 2004; Venn 2009). Gleichwohl gelten modifizierte Regelungen für kleinere Betriebe und bestimmte Typen von Arbeitsverträgen, z. B. befristete Beschäftigungsverhältnisse. Es wird also Konstellationen geben, die eine Beschäftigungsanpassung über eine Erhöhung der Entlassungen begünstigen und andere, bei denen dies nicht der Fall ist. Beispielsweise sollten Humankapitalinvestitionen Betriebe eher davon abhalten, Beschäftigungsreduktionen über Freisetzungen zu realisieren. So fallen Kosten zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an; diese werden während der Beschäftigungsdauer durch entsprechende Lohnabschläge kompensiert. Deshalb erscheint es naheliegend, dass Betriebe bei einem temporären Schock dazu neigen, die Arbeitskräfte (zunächst) weiterzubeschäftigen, um die Humankapitalinvestition zu erhalten. Dabei wird die Wahrscheinlichkeit einer Weiterbeschäftigung umso höher sein, je größer die vorgenommene Investition war und je kürzer die erwartete Dauer des temporären Schocks ist.
Im letzten Schritt betrachtet der Beitrag den betrieblichen Anpassungsmechanismus, insbesondere die Variation der Personalabgangsrate noch genauer. Dazu wird der Frage nachgegangen, wie eine solche Anpassung unter den gegebenen institutionellen Bedingungen möglich ist, bzw. ob es bestimmte Personengruppen gibt, die stärker von Entlassungen bedroht sind. Als Datengrundlage dient die Beschäftigtenstatistik 1992–2007. Wir unterscheiden dabei nach Betriebszugehörigkeitsdauer, Alter, Ausbildung, Lohnhöhe und Beschäftigungsform. Es zeigt sich dabei, dass von einem Beschäftigungsabbau insbesondere jüngere Personen mit geringerer Betriebszugehörigkeitsdauer, niedrigerem Qualifikationsniveau, niedrigerem Lohn und geringfügig Beschäftigte betroffen sind. Dies war zu erwarten. Viel überraschender ist allerdings, dass auch Personen vom Beschäftigungsabbau betroffen sind, die eine hohe Betriebszugehörigkeitsdauer aufweisen, älter sind, über ein höheres Einkommen verfügen, ein höheres Qualifikationsniveau aufweisen und in einem Normalarbeitsverhältnis beschäftigt sind. Zur Erklärung dieser Befunde sind weitere Analysen notwendig. Insbesondere wäre nach arbeitgeber- und arbeitnehmerinitiierten Kündigungen zu unterscheiden.
Executive Summary
It is often claimed that a key difference between labour markets in the US and those in continental Europe is the ease with which employers can adjust their workforce. For example, Pries und Rogerson (2005) argue that worker turnover in Europe is much lower than in the US, even though job turnover is similar, and this can be partly explained by policy and institutional differences such as minimum wages and dismissal costs. Therefore, unemployment entry rates are lower but unemployment durations are longer in European countries. On the firm level, hirings and separation rates are lower. A deeper understanding of the interrelationship between employment changes and worker flows is important in order to be able to predict the unemployment development over the business cycle.
Establishments can adjust their employment level by a variation of both, hirings and separations, i.e. a reduction of employment can be achieved by decreasing hirings or alternatively, increasing separations. Due to the strict dismissal protection in Germany, an employment reduction might be realized by the first option. Furthermore, we expect that the level of worker flows is much lower than in the US.
Based on the IAB Establishment Panel we show that the level of worker turnover is indeed lower than in the US. However, the interrelation between employment growth, separation and hirings is very similar to the results found by Davis et al. (2006) using data from the US. The separation rates for shrinking firms in principle mirror the hiring rates for growing firms. This is in a clear contrast to evidence for French establishments found by Abowd et al. (1999), where employment adjustments are usually achieved by a variation of hirings, but not by dismissals.
Furthermore, we compare the churning rates from the IAB establishment panel with the churning rates calculated on the basis of the official employment statistics. We thereby find much higher values for the latter one. While it is not possible to give a definite reason for this finding, one argument might be that survey data systematically underestimate churning, since (very) short run fluctuations disappear from the interviewee’s perception, whereas in the official statistics they are registered. On the other hand, it might be the case that the survey data just record the “relevant” churning. “Relevant” in the sense that it appears in the employer’s perception and therefore, enters the decision process. Nevertheless, the main result, i.e. a reduction in employment is above all achieved by a increase of separations.
Overall the results are a bit unexpected, if we take the institutional settings in Germany, e.g. the rigor dismissal protection legislation into account (OECD 2004; Venn 2009). However, the rules are significantly modified for small firms and for different types of employment agreements, e.g. temporary employment. Therefore, there might be circumstances which favor an employment adjustment via an increase in separations and other situations in which such a strategy seems to be unlikely. For instance, investments in human capital financed by the firm should create an incentive not to fire their workers. Hiring costs at the beginning of the employment relationship, which are compensated by wages below the workers’ productivity. Therefore, it seems to be plausible that establishments tend to hoard their labour force during temporary economic downturns in order to maintain returns generated by the investments in human capital. The probability for keeping a worker increases, if the sum of investments is higher and the expected duration of the downturn is lower.
In a last step our study focuses on the adjustment mechanism that has been identified above. Of special interest is the variation of the separation rate. We aim to answer the question how it is possible to choose such an adjustment strategy, given the German institutional context or whether there are employment groups which are more affected by this mechanism. Our analysis is based on the official employment statistics 1992–2007. We distinguish the employment groups according to tenure, age, education, wage and employment contract and are able to show that especially younger employees with low tenure, lower education level, and low wages and marginal employees are more often subject to separations. This is in line with our expectations. More surprisingly however is the fact that older employees with a higher tenure, higher wages and a higher education levels as well as regular employees are also sometimes subject to employment reductions via an increase in separations. In order to give detailed explanations for these phenomena, further investigations are necessary. Especially, differentiating between layoffs and quits might be important.