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Nachruf auf Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Karl Martin Bolte

Mit Karl Martin Bolte verstarb einer der einflussreichsten Nachkriegssoziologen Deutschlands. Er war von 1970 bis 1999 prägender Gründungs- und Mitherausgeber der Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, aus denen 2004 die ZAF hervorging. Auch am Aufbau des IAB hatte Bolte in beratender Funktion maßgeblichen Anteil. So war er schon in den Jahren 1967 bis 1972 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats (später: Sachverständigengremium) des IAB, welches die Gründung des Instituts und dessen Arbeit während der ersten Jahre begleitete.

Es sind Namen wie Karl Martin Bolte, die einem zuerst in den Sinn kommen, wenn es um den Aufbau und institutionellen Ausbau der Soziologie nach 1945 geht. Boltes Arbeiten zur Sozialstrukturanalyse und zur Arbeits- und Berufssoziologie waren ebenso wegweisend wie seine nachhaltigen und erfolgreichen Bemühungen, das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis wie auch das zwischen Theorie und Politik zu verbessern. Wissenschaft und Praxis waren für Bolte nach eigenem Bekunden „gleichrangige Partner, die es in ihrer Arbeit weit unmittelbarer und intensiver zu verflechten gilt“. Daher verwundert es auch nicht, dass Bolte der Überzeugung war, dass mit der Sprache eines gebildeten Nicht-Wissenschaftlers im Prinzip alles ausgedrückt werden könne, was ein Sozialwissenschaftler zu sagen habe.

Blickt man auf Boltes wissenschaftliches Wirken, so zählt seine Analyse der Sozialstruktur der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere mit seiner eingängigen Darstellung des gesellschaftlichen Schichtungsgefüges in Form einer Zwiebel, gewiss zu seinen bekanntesten Erfolgen. Denn bis heute gibt es wohl kaum eine sozialwissenschaftliche Abbildung, die häufiger abgedruckt wurde als ebendiese von ihm in den sechziger Jahren entwickelte Zwiebel. Auch wies Bolte schon in den siebziger Jahren auf die gravierenden sozialen und politischen Folgen des demographischen Wandels hin. Mit der von ihm maßgeblich geprägten „subjektorientierten Soziologie“ rückte er die handelnden Personen ins Zentrum der theoretischen Betrachtung und der empirischen Forschung. Dem Konstruktivismus eines Niklas Luhmann stand er skeptisch gegenüber. Wer im Krieg die Gewalt der Dinge erlebt habe, so Friedhelm Neidhardt in einer Laudatio zu Boltes achtzigstem Geburtstag, tue sich schwer mit dem Glauben, man bilde sich alles nur ein. Gleichwohl war ihm die Pluralität wissenschaftlicher Perspektiven eine Selbstverständlichkeit, akademischer Widerspruch willkommen.

Mit Blick auf die Arbeitsmarktforschung waren insbesondere Boltes vielfältige Arbeiten auf dem Feld der soziologischen Bildungs- und Berufsforschung prägend. Davon zeugen nicht zuletzt seine stark rezipierten Veröffentlichungen in den „Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“, der Vorgängerzeitschrift der ZAF (siehe unten).

Schließlich hat Bolte sich auf dem Feld der politischen Bildung bleibende Verdienste erworben, nicht zuletzt bei der Einführung der Sozialkunde als ordentliches Schulfach in Deutschland.

Karl Martin Bolte verstarb am 14. Februar 2011 im Alter von 85 Jahren.

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Nachruf auf Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Karl Martin Bolte. ZAF 44, 215–216 (2011). https://doi.org/10.1007/s12651-011-0074-6

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